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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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dessen Enthusiasmus so gut seine ehrgeizigen Absichten unterstützte. »Fügt hinzu«, unterbrach er ihn, »daß Gesetze, von einem Kongreß ausgehend, den man zu lenken wüßte, die Fremden in euer Land rufen würden, anstatt sie zurückzuhalten, wie man es bis jetzt getan hat. Die europäischen Schiffe würden sich in eure Häfen drängen, eine edle Bevölkerung würde nach eurem fruchtbaren Boden hinströmen, und aus einem Staat zweiten Ranges, aus einem zerstückelten Bundesstaat würde bald ein reiches und mächtiges Land erstehen!«
    Arechiza schwieg und forschte mit aufmerksamem Blick nach der Wirkung, die seine Worte auf den hochherzigen Sinn des Abenteurers hervorbrachten. Deren Eindruck wäre auch jedem anderen weniger scharfsichtigen Auge, als das des Spaniers war, sichtbar gewesen. Die Aussicht, zur Erhebung seines Landes beizutragen, verband sich mit der Hoffnung, das Joch eines Bundes abzuschütteln, der ihm hassenswert erschien, und verlieh dem Gesicht Diaz' einen Ausdruck von Enthusiasmus, den der Herzog zu benützen beschloß.
    »Und durch welchen Zufall«, fragte der erstaunte Mexikaner, »befinden sich Eure Gedanken hierin auf gleichem Weg mit den meinigen?«
    »Ich habe oft über die glänzende Zukunft nachgedacht, die sich der Staat Sonora durch seine Trennung von den Zentrumsstaaten bereiten könnte«, antwortete Arechiza gleichgültig.
    »Und Ihr glaubt also wie ich, daß die Lage Sonoras, seine Fruchtbarkeit, seine Reichtümer ihm eine glänzende Zukunft sichern?«
    »Aber«, fuhr der Spanier fort, »um aus Sonora einen an Kraft und Macht den europäischen Nationen gleichen Staat zu machen, muß er die Anfänge seines Glücks an derselben Quelle schöpfen. Ist er erst einmal seiner freien Tatkraft wiedergegeben, so wird ihm nur noch eine einzige Bedingung fehlen, um Großes zu vollbringen: ein Mann, dessen verständige und feste Hand die nach allen Seiten hin zerstreuten Keime der Kraft sammeln kann. Unter solchen Bedingungen würde ich, den Ihr nur unter dem Namen Arechiza kennt, die Schätze zu Eurer Verfügung stellen, Señor Diaz!«
    »Einen Chef, meint Ihr, Don Estévan?«
    »Mehr als einen Chef – einen König!«
    Bei diesem Wort fuhr der Abenteurer zusammen wie ein wildes Pferd, das den Sporn zum erstenmal fühlt.
    »Einen König!« fuhr der Spanier fort, als ob er auf einmal ein republikanisches Ohr an diesen fremdartig klingenden Namen gewöhnen wollte. »Europa verdankt es nur seinen Königen, den ganzen Erdkreis zuerst unterworfen und dann aufgeklärt zu haben.«
    »Einen König?« wiederholte langsam der Abenteurer. »Aber ein König ist die Geißel eines Volkes!«
    »Irrtum!« sagte der Spanier feierlich. »Als gegen das Ende des letzten Jahrhunderts der Geist des Schwindels durch das alte Europa, dessen Verfall schon begonnen hat, gegangen war, verleugneten einige Völker, die es bewohnen, ähnlich dem Wahnsinnigen, der in seinen Eingeweiden mit eigenen Händen wühlt, ihre Vergangenheit und sprachen wie Ihr: ›Die Könige sind die Geißeln der Völker.‹ Sie erkannten ihre Geschichte nicht mehr an und verzichteten auf die glorreichen Erinnerungen, die auf ihren Seiten verzeichnet stehen. Unfähig nun, irgend etwas aufzubauen, wollten sie alles niederreißen. Also sprachen sie zu den Söhnen derer, die durch ihren Namen an Tugend, Mut und Ruhm erinnerten: ›Ihr sollt die eitlen Titel, die euch eure Väter hinterlassen haben, nicht mehr tragen; die Ehren, von denen ihr umgeben wart; die Vorrechte, die ihr genossen habt, verschwinden künftig vor dem großen Prinzip, das alle Menschen gleich macht.‹ Du Armer sollst sie nicht mehr führen, diese Titel, ohne doch deiner Familie eine andere Erbschaft hinterlassen zu können; diese Auszeichnung verdunkelt diejenigen, deren Väter sich ausruhten im Schatten ihres Kramladens oder unter den Buchen auf ihrem Feld, während der Vater des Mannes, den sie beraubten, auf den Schlachtfeldern sein Blut vergoß, um den Kramladen oder die Furche der Väter der Räuber zu schützen. Wie, Diaz? Wenn Ihr Euer Vaterland wieder neu erstehen laßt; wenn Ihr es einer Knechtschaft, unter der es seufzt, entreißt, soll da Euer Sohn kaum das Recht haben, Euren Namen zu tragen?« Diaz hörte dem Spanier aufmerksam zu, der fortfuhr: »Wißt Ihr, was ein König ist? Er ist der Felsendamm, die steile Küste, die Gott dem Ozean als Grenze setzt. Wie die Fluten des Ozeans am Gestade, so bricht sich der umwälzende Ehrgeiz, dem die Völker stets als Opfer

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