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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Abendwind aus westlicher Richtung zuzutragen schien.
    »Das ist Cuchillo!« schrie der Vaquero beim Anblick des Reiters, der im Galopp herbeikam. Dann fügte er ganz leise hinzu, so daß nur Baraja ihn hörte: »Möge der Reisende sich in acht nehmen, wenn der Irrwisch in der Ebene tanzt!«

29 Die Bekehrung eines Republikaners
    An diesem Abend wachte Don Estévan wie gewöhnlich in seinem Zelt, während seine Leute der Ruhe pflegten. Beim Schein eines düster brennenden Talglichts schien der Spanier unter seinem staubbesudelten Anzug, trotz des bescheidenen Aussehens seiner Wohnung aus Leinwand, doch nichts von seiner würdigen Haltung und seiner ausgezeichneten Persönlichkeit verloren zu haben. Seine Gesichtsfarbe, die sonnverbrannter war als in dem Augenblick, wo wir ihn zum erstenmal gesehen haben, gab seinen Zügen einen noch energischeren Charakter.
    Er schien noch ebenso nachdenklich als zur Zeit, wo er vom Pferd gestiegen und in das für ihn errichtete Zelt getreten war; aber sein Nachdenken hatte nicht mehr denselben sorgenvollen Ausdruck. Am Vorabend des Tages, wo nach tausend Gefahren seine weiten Pläne sich zu verwirklichen begannen, hatte Don Antonio de Mediana endlich wenigstens für den Augenblick die Niedergeschlagenheit von sich abgeschüttelt, die durch die früheren Ereignisse bis heute auf ihm gelastet hatte. Seine Seele war wieder hart geworden in der Hoffnung eines nunmehr unzweifelhaften Erfolgs.
    Er hatte die Leinwand aufgehoben, die den Türvorhang seines Zelts bildete, um einen raschen Blick auf die Männer, die unter seinem Schutz ruhten, und auf den nebligen Horizont zu werfen, der die »Nebelberge« bedeckte; er schien seine Mittel zum Handeln mit dem Zweck vergleichen zu wollen, den er verfolgte.
    Der Anblick dieser sechzig Männer jedoch, die seiner Autorität gehorchten, brachte ihn auf eine andere Gedankenreihe. »Geradeso«, sagte der Spanier zu sich, »war es vor zwanzig Jahren; ich befehligte eine fast gleiche Anzahl von ebenso entschlossenen Seeleuten, als diese Abenteurer sind, die hier lagern. Ich war zu jener Zeit nur ein unbekannter jüngerer Sohn einer Familie, und sie waren es, die mir geholfen haben, meine Erbschaft wiederzuerobern ... ja, es war gewiß die meinige. Aber damals stand ich in der Blüte des Alters; ich hatte ein Ziel vor mir zu verfolgen, ich habe es erreicht ... ich bin selbst darüber hinausgegangen; und doch finde ich mich heute, da ich nichts mehr zu wünschen habe, in reifem Alter wieder, daß ich die Steppen durchstreife, gerade wie ich die Meere durchfurchte und mein Banner auf ihnen entfaltete! Warum ...?«
    Die innere Stimme Medianas rief ihm zu, daß es geschah, um einen Tag seines Lebens zu vergessen; aber in diesem Augenblick wollte Don Antonio sie nicht hören.
    Der Mond schien auf die im Lager pyramidenförmig geordneten Büchsen; er beleuchtete sechzig an Kampf und Gefahr gewöhnte Männer, die, nüchtern und unermüdlich, über Durst und Sonnenbrand lachten. In der Ferne spielte ein glänzender Duft wie bleiches Gold im Nebel der Berge, neben denen sich das Val d'Or ausbreitete.
    »Warum?« wiederholte Don Antonio. Und er antwortete selbst auf seine eigene Frage: »Weil mir noch ein unermeßlicher Schatz und ein großes Königreich zu erobern bleiben.«
    Die Augen Medianas funkelten vor Stolz; doch bald erlosch dieser Blitz, und er heftete einen melancholischen Blick auf den Horizont.
    »Indessen«, fuhr er fort, »was werde ich von diesem Schatz für mich behalten? Nichts. Diese Krone – ich werde sie auf das Haupt eines anderen setzen. Und ich werde nicht einmal zum Lohn einen Sohn haben, einen Nachkommen, der den Namen Mediana trägt und sich eines Tages vor meinem Bildnis beugt, während er bei dessen Anblick die Worte spricht: ›Dieser hier konnte weder durch einen Schatz noch durch einen Thron in Versuchung geführt werden ...‹ Man wird es nur, solange ich lebe, sagen ... Doch alles in allem ist auch das ein schönes Los.«
    Pedro Diaz, der, wie man gesehen hat, zu Don Estévan beschieden war, hob den Zeltvorhang in dem Augenblick auf, als dieser ihn fallen ließ. Der Chef hatte seine feste, entschiedene Haltung wieder angenommen.
    »Ihr habt mich herbeschieden, Don Estévan, und da bin ich«, sagte der Abenteurer, indem er seinen betreßten Filzhut abnahm.
    »Ich habe mit Euch über wichtige Dinge zu reden, die ich Euch gestern nicht sagen konnte und Euch heute sagen muß«, erwiderte Arechiza; »denn ich habe auch einige Fragen

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