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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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fallen, am König. Diese Völkerflut, die unaufhörlich in der Hauptstadt Eurer Republik grollt und die in ihrem Lauf weder Damm noch Gestade trifft, wodurch sie aufgehalten werden könnte, überströmt rauschend Euer Land bis zur Grenze und hat die Verwüstung und den Umsturz in ihrem Gefolge. Wißt Ihr, was ein König ist? Das ist ferner die mächtige Hand, die die Elemente der Kraft einer großen Nation zusammenhält und vereinigt, die die Gerechtigkeit und den Schutz für die entferntesten Provinzen wie für diejenigen, die der Hauptstadt am nächsten liegen, im Schatten ihrer Autorität zur Geltung bringt; es ist der Vater, der den Unterschied zwischen den einzelnen Provinzen vertilgt; der aus Kindern derselben Religion und desselben Vaterlandes einige Brüder macht, deren Kraft eben in der Einigkeit liegt. Ein König ist die große Pulsader, die das Blut in dem sozialen Körper kreisen läßt; er ist Einheit, Kraft, Glück!«
    »Und wer seid Ihr denn, der Ihr in Amerika als Vorkämpfer für die Könige auftretet, die Europa nicht mehr haben will?«
    »Ein Mann, der die Könige sehr nahe gesehen hat«, antwortete der Herzog von Armada; »ein Mann, der selbst es verschmähen würde, die Krone auf sein Haupt zu setzen, der aber Europa dem demokratischen Geist, der es tötet, überläßt, weil in den Beschlüssen Gottes jedes Ding seine Zeit haben muß und weil nunmehr die Reihe an Amerika ist, die Alte Welt zu beherrschen, wenn es für sich selbst das Prinzip aufnimmt, das Europa zurückzustoßen scheint.«
    »Das demokratische Prinzip tötet, sagt Ihr?« rief Diaz. »Wahrlich, Ihr sprecht da sonderbare Dinge zu mir. Europa ist alt, ich gebe es zu; aber ist es nicht unter seinen Königen alt geworden? Wenn die Stunde der Auflösung eines Tages für Europa schlägt, wird es nicht in der Demokratie wieder fest werden und sich mit Hilfe dieses großen Prinzips, das alles um uns her belebt, wieder verjüngen können? Wenn diese Demokratie, wie Ihr es glaubt, ein Gift ist für eine altersschwache Nation, werdet Ihr denn leugnen, daß sie ein Lebenselement für ein junges, erst seit kurzem frei gewordenes Volk ist, in dessen Adern ein reiches und edles Blut strömt? Seht das nördliche Amerika – es blüht im Schatten dieses zeugungskräftigen Prinzips!«
    »Das ist wahr«, erwiderte der Spanier, »aber eure Sitten selbst sind dem Königtum angepaßt. Mögen immerhin eure Nachbarn im Norden unter einer Regierungsform groß werden, die in sich den Keim der Vernichtung trägt und die sie später töten wird – ihr habt nicht denselben Geist wie sie; ihr habt nur ein vorzeitiges Greisenalter als Ziel vor euch, wenn ihr ihren Wegen folgen wollt. Die Zertrümmerung ereilt euch, weil ihr nicht einig seid; ihr seid alt in Mexiko, ohne jung gewesen zu sein; und wir müssen Sonora verjüngen! Das ist euer Vaterland! Was geht euch das andere an? Geben wir den Bundesstaaten ein Beispiel, dem sie früher oder später folgen werden! Ja«, fuhr Don Estévan fort, indem er den Republikaner bei der Liebe zu seinem Vaterland faßte, »die anderen Provinzen werden sich unserem königlichen Banner anschließen; sie werden ihren lächerlichen krallenlosen Adler vor dem Löwen senken, den wir aufpflanzen werden, und aus einem Staat zweiten Ranges wird Sonora der Hauptteil eines Königreichs werden, das mit jedem Tag an Größe zunimmt!«
    Der Mexikaner schüttelte den Kopf mit zweifelnder Miene. »Nein«, sagte er, »unser ganzes Land hat die Vergleiche zwischen dem republikanischen und dem monarchischen System anstellen können. Dreihundert Jahre der Knechtschaft erinnern nur zu sehr an die Fehler des letzteren; die Republik allein hat ihm die Unabhängigkeit gegeben. Eine Trennung vom Mutterstaat ist aber leicht für uns; die Gründung eines Königreichs ist unmöglich. Ein König in Eurem Sinn ist der Verwahrer der Kräfte einer Nation; aber der Mann, der in seinen Händen all die zerstreuten Elemente der Macht einer Nation vereinigt, ist immer nur zu sehr geneigt, sie seines Vorteils halber unwirksam zu machen. Darum wollen auch die Völker in dem Maße, als sie zur Reife gelangen, keine Könige mehr. Ihr sagt, wir hätten keine Jugend gehabt, und gerade darum hätten wir sie vertrieben. Ein Volk ist reif am ersten Tag einer Republik; im Interesse der Könige allein liegt es, die Kindheit der Nationen zu verlängern.«
    »Aber wir zählen Monarchien, die zwölf Jahrhunderte bestanden haben, und Ihr habt keine Republik, die heute auch

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