Der Waldläufer
zu verlassen. Ich habe weder Frau noch Kinder, von denen ich mit Trauern scheiden oder die mich beweinen müßten; aber ich habe einen alten Gefährten meines einsamen Lebens, und ich kann an eine Trennung von ihm nicht ohne Schmerz denken. Dem indianischen Krieger ist es wenigstens ein Trost, zu wissen, daß sein Schlachtroß sein Grab mit ihm teilen wird, und zu glauben, daß er es einst ebenso im Land der Geister wiederfindet.
Wie oft haben wir nicht zusammen die Wälder und Savannen durchstreift! Wie oft haben wir nicht alle beide Sonnenglut, Hunger und Durst ertragen! Dieser alte, treue Freund – Ihr habt es wohl schon erraten – ist mein Pferd. Ich schenke es Euch, Freund Baraja; behandelt es sanft, liebt es, wie ich es liebte, und es wird auch Euch lieben, wie es mich liebt. Es war der Gefährte jenes Tieres, das von einem Jaguar zerrissen wurde; von uns dreien wird es nun allein übrigbleiben.«
Bei diesen Worten zeigte der Greis mit dem Finger auf einen bejahrten, edlen Renner, der sich mitten unter der Gruppe von gesattelten Pferden befand. Sein Hals war gebogen durch den am Sattelknopf befestigten Zügel; er kaute noch stolz an seinem Gebiß. Benito ging auf ihn zu und streichelte seinen starken Rücken. Als dieser schwache Augenblick vorüber war, wurde sein Gesicht wieder leidenschaftslos.
Mit der Wiederkehr seines kalten Blutes war der alte Hirt auch wieder auf seine Gewohnheit zurückgekommen, alles vorauszusehen, wodurch alle diejenigen, die ihm zuhörten, vor Schrecken starr wurden.
»Hört!« sagte er zu Baraja. »Um Euch schon im voraus meinen Dank für die Sorgfalt auszudrücken, die Ihr meinem alten Freund werdet zuteil werden lassen, kann ich Euch, solange es noch Zeit dazu ist, einen Vers aus dem Psalm für Sterbende lehren; das kann Euch von Nutzen sein; ebenso wie ...«
»Nun?« sagte Baraja, der sah, daß der Greis seine Rede nicht beendete. »Habt Ihr mir irgendeine erschreckende Neuigkeit zu verkünden?«
Der alte Vaquero antwortete nichts; aber der Abenteurer fühlte, wie der Arm Benitos krampfhaft den seinigen ergriff. Der Anblick, der Baraja erschütterte, war viel schrecklicher als die schrecklichste Antwort des alten Mannes. Seine Augen rollten in ihren Höhlungen, und eine seiner Hände suchte vergeblich das Blut zu stillen, das aus einer breiten Wunde hervorquoll.
Ein Pfeil war zischend gekommen und hatte seine Gurgel durchbohrt.
Benito fiel, indem er sagte: »Es geschieht nur, was geschehen muß. – Laßt mich«, fügte er hinzu, indem er die Hilfe Barajas zurückwies, die dieser ihm zu leisten suchte; »meine Stunde ist gekommen! ... Denkt an meinen ... alten Freund ...« Wellen von Blut stürzten aus seiner Wunde und nahmen ihm die Sprache.
In diesem Augenblick zeigten sich die am besten berittenen Krieger der Apachen in der vom Mond erleuchteten Ebene.
Diejenigen Reisenden, die nur mit zivilisierten Indianern zusammengetroffen sind, möchten sich nach ihnen schwerlich eine richtige Vorstellung von den wilden Indianerstämmen machen. Nichts glich dem entarteten Geschlecht der Indianer in den Städten weniger als diese ungebändigten Söhne der Steppen, die – ähnlich dem Raubvogel, der in der Luft seine kreisförmigen Bewegungen beschreibt, ehe er auf seine Beute niederstößt – auf ihren Pferden heulend um das Lager sprengten. Ihre gräßlich rot bemalten Gesichter erschienen zuweilen in heller Beleuchtung durch den Widerschein der Feuer. Ihre langen Haare flatterten weithin im Wind; die Lederriemen, womit ihr Anzug verziert war, umgaben bei dem raschen Galopp wie Schlangen ihren Körper, ihr durchdringendes trotziges und herausforderndes Geschrei – alles machte sie den Dämonen ähnlich, mit denen man sie so richtig verglichen hat. Es gab wohl nur wenige unter den Mexikanern, die nicht irgendwelche Beeinträchtigung an diesen unermüdlichen Räubern zu rächen gehabt hätten; aber keiner unter ihnen war in dieser Beziehung von einem größeren Haß beseelt als Pedro Diaz. Der Anblick seiner Feinde machte auf ihn denselben Eindruck wie ein scharlachrotes Fähnchen auf den Stier. Er schien kaum seinen glühenden Haß beherrschen und nur mit Mühe der Versuchung widerstehen zu können, sich durch eine jener kühnen Taten auszuzeichnen, die seinen Namen den Indianerstämmen so furchtbar gemacht hatten. Es war aber notwendig, ein Beispiel der Disziplin zu geben, und der Abenteurer bezähmte darum seine brausende Ungeduld. Übrigens war der Augenblick nicht fern,
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