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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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müssen.« Und ohne sich weiter aufzuhalten, ging er durch das Lager zu Don Estévan.
    Dieser wartete, da die ersten und wichtigsten Maßnahmen schon getroffen waren, am Eingang seines Zelts, daß Cuchillo herankäme und vom Erfolg seiner Rekognoszierung und der Nähe der Gefahr Bericht erstatte.
    In dem Augenblick, als Cuchillo sich näherte, ohne auf die zahlreichen Fragen zu antworten, mit denen er von allen Seiten überschüttet wurde, ging ein Mann mit einem flammenden Brand in der Hand zu den in gewisser Entfernung aufgerichteten Reisbündeln, um sie anzuzünden, als die Stimme Don Estévans sich hören ließ: »Noch nicht!« rief er. »Es ist vielleicht ein falscher Lärm, und solange wir nicht die Gewißheit des Angriffs vor uns sehen, dürfen wir das Lager nicht erleuchten, um uns nicht zu verraten.«
    Bei den Worten »ein falscher Lärm« hätte man sehen können, wie ein unheimliches Lächeln über Cuchillos Lippen flog. Der Mann warf seinen Brand in das Feuer zurück.
    »Auf jeden Fall«, rief Don Estévan abermals, »sattle jeder sein Pferd und mache sich jeder bereit.« Er ging wieder in sein Zelt und gab Diaz ein Zeichen, ihn zu begleiten. –
    »Das will sagen, Freund Baraja«, nahm Benito das Wort, »daß, wenn der Befehl gegeben ist, die Feuer anzuzünden, wir auch sehr sicher sind, daß wir angegriffen werden. Besonders nachts ist es schrecklich.«
    »Wer wüßte das besser als ich?« sagte Baraja.
    »Habt Ihr schon einmal des Nachts an einem solchen Fest teilgenommen?« fragte Baraja.
    »Niemals – darum fürchte ich eben einen nächtlichen Angriff so sehr.«
    »Wohlan! Wenn Ihr schon einen solchen gesehen hättet, so würdet Ihr Euch ...«
    »So würde ich mich nicht mehr davor fürchten?« beeilte sich Baraja, ihn zu unterbrechen.
    »... so würdet Ihr Euch noch mehr davor fürchten!« – Cuchillo brachte auf seinem Weg zum Zelt Don Estévans sein Gesicht in Ordnung oder vielmehr in Unordnung. Er warf seine langen Haare in den Nacken zurück, als ob sie der Luftzug bei einem eiligen Ritt über den Kopf geworfen hätte; dann ging er in das Zelt wie ein Mann, der eben erst wieder Atem schöpft, und trocknete einen Schweiß auf seiner Stirn, der sich gar nicht vorfand. Sonst hatte er seine gewöhnliche unverschämte Miene beibehalten.
    Oroche, der ganz besonders mit der Wache bei der Person Don Estévans beauftragt schien, war an Diaz' Seite geschlüpft.
    Der Bericht Cuchillos war kurz. Beim Auftrag, den Zugang zu dem Ort zu erkunden, zu dem die Expedition ihren Marsch richten mußte, hatte er seine Rekognoszierung über die Grenzen hinaus ausgedehnt, die ihm die Klugheit vorschrieb ...
    Diaz unterbrach ihn. »Ich hatte solche Vorsichtsmaßnahmen getroffen«, sagte er, »um unseren Marsch durch falsche Spuren den Indianern zu verbergen; ich hatte sie so vollständig irregeführt, daß Ihr die Richtung, der Ihr folgtet, habt verlassen müssen, um nach rechts oder links abzuweichen.«
    »Ich habe mich in der Tat verirrt«, erwiderte der Bandit, »da ich durch die Einförmigkeit dieser endlosen Ebenen, worin jeder Hügel dem anderen gleicht, getäuscht worden bin ...«
    »Jeder Hügel soll dem anderen gleichen?« antwortete Diaz spöttisch. »Wenn ein Mann aus der Stadt sich dadurch täuschen läßt, so ist das begreiflich; aber Ihr ... Die Furcht hat also wohl Eure Augen mit einem Nebelschleier bedeckt?«
    »Die Furcht?« antwortete Cuchillo. »Ich kenne sie nicht mehr als Ihr.«
    »Dann werden Eure Augen schlecht, Señor Cuchillo.«
    »Wie dem auch sein mag«, fuhr der letztere fort; »genug, ich verirrte mich, und ohne die Rauchsäule, die mich führte, hätte ich meinen Weg nicht so schnell, als es geschehen ist, wiederfinden können.
    Aber ich bemerkte eine Abteilung Indianer, die sich durch die Ebene bewegten, und mußte einen Umweg machen, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Gerade auf diesem Umweg jedoch wurde ich durch umherstreifende Krieger entdeckt, und ich verdanke nur der Schnelligkeit meines Pferdes den Vorsprung, den ich eben über sie gewonnen habe.«
    Als er diesen Bericht, während dessen Don Estévan mehr als einmal die Augenbrauen zusammengezogen hatte, beendete, ging Oroche aus dem Zelt, kam aber sogleich zurück. »Die Indianer sind dort unten!« sagte er. »Seht jene schwarzen Schatten, die durch die Ebene eilen, das sind ihre vorausgesandten Krieger, die unser Lager rekognoszieren wollen.«
    Auf der bleichen Oberfläche der Steppe konnte man wirklich die Form von Reitern

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