Der Waldläufer
demselben Baum nicht entmutigt sein mußte, zeigte sich der Apache ganz und gar und zielte mit seiner Büchse in der Richtung nach der Insel; sein Auge schien wie das der Schlange seine Feinde bezaubern zu wollen. Plötzlich hob er den Lauf seiner Waffe empor, zielte abermals und wiederholte dann noch mehrmals hintereinander dieselbe Bewegung. Aber die Jäger blieben bewegungslos liegen wie wirkliche Leichname. Nun stieß der Indianer ein Triumphgeschrei aus.
»Der Hai beißt an die Angel«, sagte Bois-Rosé. »Ich werde diesen Hundesohn wiedererkennen!« sagte Pepe. »Und wenn ich ihm nicht die Unbehaglichkeit, die er mir verursacht hat, vergelte, so wird mich nur die Kugel, die er uns zusenden will, daran hindern.«
»Es ist der Schwarze Falke!« erwiderte Bois-Rosé. »Er ist ein kühner und vorsichtiger Häuptling.«
Der Indianer richtete noch einmal den Lauf seines Gewehrs auf die Körper, die er anscheinend leblos vor sich liegen sah; er zielte so ruhig wie der Schütze, der auf einem ländlichen Fest den Preis durch den besten Schuß davonzutragen strebt, und entschloß sich endlich, Feuer zu geben.
Im selben Augenblick zerriß ein von einem Baumstamm, zwei Linien vom Kopf des Spaniers entfernt, herabgeschossener Splitter dessen Stirn. Pepe rührte sich nicht mehr als das tote Holz, an dem er lehnte, sondern begnügte sich mit den Worten: »Hund von einer Rothaut; ich werde in kurzer Zeit mit dir Abrechnung halten.«
Einige Blutstropfen waren auf das Gesicht des Kanadiers gespritzt. »Ist jemand verwundet?« fragte dieser mit bebender Stimme. »Eine Schramme, weiter nichts!« antwortete der ehemalige Grenzjäger.
»Gott sei gelobt!«
Darauf stieß der Indianer abermals ein Freudengeschrei aus und stieg vom Baum, auf dem er sich befand, herunter. Die drei Jäger holten tief Atem.
Indes war der Erfolg ihrer List noch nicht vollständig. Es mußten wohl noch einige Zweifel in der Seele der Indianer zurückgeblieben sein, denn ein langes, feierliches Schweigen folgte dem letzten Schuß des Apachen.
Die Sonne ging unter. Eine kurze Dämmerung breitete eine matte Farbe über die ganze Natur; die Nacht kam, und der Mond glänzte auf dem Fluß, ohne daß die roten Krieger ein Lebenszeichen von sich gegeben hätten.
»Unsere Skalpe locken sie, aber sie zögern noch, herüberzukommen und sie zu nehmen«, sagte Pepe und unterdrückte ein Gähnen vor Langeweile.
»Geduld!« antwortete der Kanadier. »Die Indianer sind wie die Geier, die den Leichnam eines Menschen nicht eher anzuhacken wagen, bis er anfängt zu verwesen, aber sich doch endlich dazu entschließen. Die Apachen werden es wie die Geier machen. Nun wollen wir die Stellung hinter dem Schilf wieder einnehmen.«
Die Jäger erhoben sich langsam auf die Knie und fingen wieder an, die Bewegungen der Indianer zu beobachten. Einen Augenblick lang erschien das Ufer ihnen gegenüber noch einsam, aber bald ließ sich ein Indianer sehen – anfangs mit großer Vorsicht, um die Geduld des Feindes zu prüfen, sofern hinter seiner Bewegungslosigkeit noch irgendeine Kriegslist stecken sollte. Ein anderer Krieger trat zu ihm, und beide näherten sich mit wachsendem Vertrauen dem abschüssigen Ufer des Flusses; zuletzt zählte der Kanadier zehn von ihnen. Der Mond beleuchtete ihre kriegerisch bemalten Körper.
»Die Indianer werden, wenn ich sie recht kenne, einer hinter dem anderen durch den Fluß waten«, sagte Bois-Rosé. »Fabian, du wirst den ersten aufs Korn nehmen; Pepe wird auf die Mitte zielen, und ich nehme den vorletzten auf mich. Auf diese Weise werden sie uns nur in einer gewissen Entfernung voneinander angreifen können, und wir werden bald mit ihnen fertig werden. Es wird ein Kampf Leib an Leib sein. Fabian, mein Kind, während Pepe und ich sie mit dem Messer in der Hand erwarten, hast du nur unsere Büchsen wieder zu laden und sie uns zu überreichen. Beim Andenken an deine Mutter verbiete ich dir, dich mit diesen Hunden mit blanker Waffe zu messen.«
Als der Kanadier diese verschiedenen Anordnungen getroffen hatte, stieg ein Krieger von hohem Wuchs in den Fluß, und der Mond beleuchtete nach und nach neun andere Indianer. Alle näherten sich mit großer Vorsicht, so daß kein Geräusch ihre Schritte verriet. Man konnte denken, die Schatten von Kriegern, die aus dem Land der Geister wiedergekehrt waren, wandelten schweigend auf dem Wasser.
35 Der Schwarze Falke
Der Tod schien in den Augen der Indianer mitten in der stillen Dunkelheit über der
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