Der Waldläufer
Feuer der Insel. Die Indianer hatten die Stärke dieses Bodens so berechnet, daß er durch die Berührung mit dem Feuer trocken werden und sich selbst ebenso wie die Baumzweige gerade in dem Augenblick entzünden sollte, wo der Brander gegen die Insel stieß. Aber das Heu tauchte oft ins Wasser, und die Feuchtigkeit, die es in jedem Augenblick durchdrang, hatte seine Verbrennung verzögert. Die großen Zweige des Baums hatten ebenfalls noch nicht Zeit gehabt, in Brand zu geraten; nur die kleinen Zweige und Nadeln waren in Flammen aufgegangen. Dieser Umstand war dem Späherauge des Kanadiers nicht entgangen, und er entschloß sich, mit einer langen Stange in der Hand die Unterlage aus feuchtem Gras auseinanderzuwerfen, wie es der Heumacher mit dem abgemähten Gras tut; im selben Augenblick jedoch, wo er dieses gefährliche Unternehmen versuchen wollte, ging seine Voraussage in Erfüllung. Einige Kugeln und Pfeile fuhren zischend in den geringen Zwischenraum, der sich noch zwischen der Insel und dem Brander befand. Die Salven schienen mehr den Zweck zu haben, die Jäger zu erschrecken, als sie zu treffen.
»Es ist einmal beschlossen«, sagte Bois-Rosé mit leiser Stimme, »uns nur lebendig zu fangen; wohlan, wir müssen einen Versuch machen.«
Der Feuerberg berührte beinahe die Insel; noch einige Augenblicke, und die Flammen mußten sich der Insel selbst mitteilen. Heißer Rauch umhüllte schon deren Bewohner, als der Kanadier sich plötzlich mit der Schnelligkeit des Blitzes in den Fluß stürzte und gänzlich verschwand.
Ein Geheul ertönte auf beiden Ufern des Flusses, und die Indianer ebenso wie der Spanier und Fabian, die allein zurückgeblieben waren, sahen den schwimmenden Baum unter dem mächtigen Stoß des Kanadiers hin und her schwanken. Das große Feuer warf einen noch glänzenderen Schein umher; aber bald zischte das Wasser, die Heumasse löste sich auf und versank in einer Flut von Schaum.
Die tiefste Dunkelheit folgte plötzlich dem Glanz des Feuers; Finsternis und Nebel hatten abermals ihre düstere Decke über den ganzen Lauf des Flusses ausgebreitet. Der Baum, dessen Zweige vom Feuer geschwärzt waren, hatte seine Richtung geändert und schwamm, das Schilf zerknickend, an der Insel vorüber, als mitten unter dem Geheul der bestürzten Indianer Bois-Rosé wieder zu seinen Gefährten kam. Die Insel zitterte nach unter den Anstrengungen des Kanadiers, sie wieder zu ersteigen.
»Heult nach Belieben«, sagte Bois-Rosé, indem er Atem schöpfte; »ihr habt uns noch nicht! Aber«, fügte er ganz leise hinzu, »werden wir immer so glücklich sein?«
In der Tat war auch diese Gefahr beseitigt; wie viele blieben ihnen nicht noch zu überwinden übrig? Wer konnte die neuen Ränke voraussehen, die die Indianer gegen sie anwenden würden? Diese Gedanken hatten bald die erste Trunkenheit des Triumphes zerstreut; ein düsteres Schweigen folgte auf die Glückwünsche, die die beiden Jäger an Bois-Rosé richteten.
Plötzlich sprang Pepe auf seine Füße, einen Schrei unterdrückend – aber diesmal einen Freudenschrei. »Bois-Rosé, Don Fabian«, sagte er, »wir sind gerettet, ich stehe euch dafür!«
»Gerettet?« wiederholte der Kanadier mit zitternder Stimme. »O sprich doch, Pepe, sprich doch, schnell!« »Hast du nicht bemerkt«, fuhr der ehemalige Grenzjäger fort, »wie vor wenigen Stunden die ganze Insel unter unseren Händen zitterte, als wir einige große Äste zu unserer Deckung abrissen? Wie sie eben noch unter dir selbst zitterte, Bois-Rosé? Wohlan! Ich hatte einen Augenblick daran gedacht, ein Floß aus den Stämmen zu machen, die unter unseren Füßen liegen, aber jetzt verzichte ich darauf; wir sind unserer drei, wir können durch die Kraft unserer Arme die Insel selbst entwurzeln und flottmachen. Der Nebel ist dick, die Nacht schwarz, und morgen, wenn der Tag anbricht ...«
»Werden wir weit von hier fortgetrieben sein«, sagte Bois-Rosé. »Ans Werk! Ans Werk! Der Wind weht schon frisch und kündigt die Nähe des Morgens an; wir haben nicht mehr zuviel Zeit vor uns! Wenn ich nicht meinen seemännischen Blick verloren habe, so wird uns der Fluß nicht schneller als drei Knoten in der Stunde treiben.«
»Desto besser«, sagte Pepe; »unsere Entfernung wird um so weniger sichtbar sein.«
Der brave Kanadier nahm sich nur Zeit, seinen beiden Gefährten die Hand zu schütteln, und erhob sich.
»Was willst du tun?« fragte Fabian. »Können wir nicht alle drei, wie es Pepe vorgeschlagen hat,
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