Der Waldläufer
Ort zu machen, wo mich meine gewöhnliche Schüchternheit mehr verlassen haben würde. Nicht wahr, Ihr begreift? Wenn ich diesen letzten Teil meines Gutes verloren hätte, welche Veränderung ... ich wollte sagen, welcher Trost für meinen Schmerz die reine Luft des Waldes ... das Schweigen ... die gänzliche Einsamkeit gewesen wäre. Aber mein Aufseher teilte meine Vorliebe für die freie Luft und die Einsamkeit nicht und stellte zur Bedingung für die Partie, die er annehmen wolle, daß wir vor Zeugen spielten.«
»Und Ihr wart gezwungen, einzuwilligen?«
»Zu meinem großen Bedauern«, fuhr Baraja fort.
»Und Ihr verlort, weil Ihr vor den Leuten so schüchtern wart?« begann Cuchillo wieder mit unerschütterlichem Ernst.
»Ich verlor diese zweite Hälfte wie die erste. Von meinem ganzen früheren Vermögen ist mir nur dieses Pferd übriggeblieben, obgleich mein früherer Aufseher behauptete, daß das Pferd mit in die Partie einbegriffen gewesen sei. Heute habe ich nur noch Hoffnung, mein Glück bei der Expedition nach Tubac zu machen, an der ich mich beteiligt habe, und als letzte Hilfsquelle, mich in den Dienst meines Spitzbuben zu begeben und meinerseits meine Angelegenheiten wieder zu ordnen. Seit dieser Zeit habe ich geschworen, nicht mehr zu spielen, und – caramba! – ich habe meinen Eid gehalten.«
»Wieviel Zeit ist es her, daß Euch solches begegnet ist?«
»Fünf Tage«, antwortete Baraja.
»Teufel! Eure Eidestreue ist nicht ohne Verdienst.«
Nachdem die beiden Abenteurer sich diese vertraulichen Mitteilungen gemacht hatten, fingen sie an, sich von der Hoffnung zu unterhalten, die man auf die bevorstehende Expedition setzte; von den Wundern, die sie über das Land hatten erzählen hören, das sie erforschen sollten; von den Gefahren, die ihnen mitten in unbekannten Steppen drohten.
»Aber gewiß ist es besser«, sagte Baraja, »zu sterben, als mit Löchern in den Ellbogen zu leben.«
»Je nach den Umständen«, antwortete Cuchillo. »Ich bin einer von denen, die die Leute mit Löchern in den Ellbogen viel lieber haben als die mit Geld in der Tasche.«
Unterdessen fing die Landschaft an, sich vom Feuer der Sonne zu erhitzen. Ein glühender Wind schüttelte die Wipfel der Bäume und streifte das vertrocknete Gras. Die Pferde der beiden Abenteurer wieherten kläglich, gequält von Durst, während ihre Herren den geringen Schatten der kärglich belaubten Gummibäume aufsuchten.
Baraja nahm das Wort. »Ihr werdet wahrscheinlich über mich lachen, Señor Cuchillo«, sagte er, indem er sich mit seinem breiten Filzhut Kühlung zufächelte; »aber die Zeit erscheint mir sehr lang, seitdem ich nicht mehr spiele.«
»Mir auch«, erwiderte Cuchillo gähnend.
»Ihr würdet es dann vielleicht annehmen, ein wenig um das Gold zu spielen, das wir einsammeln wollen?«
»Ich wagte es nicht, Euch den Vorschlag zu machen, Herr Baraja, und nehme es an.«
Es traf sich, daß diese Männer, die alle beide auf das Spiel verzichtet hatten, jeder mit einem Spiel Karten versehen waren, und die Partie sollte eben beginnen, als sich das Wiehern von Pferden, der Klang einer Glocke, Schritte und Stimmen hören ließen und die wahrscheinliche Ankunft der einflußreichen Person verkündigten, die Cuchillo erwartete.
5 Der Vertrag
Die beiden Spieler verschoben einstweilen die Partie, die eben beginnen sollte, und wandten den Kopf nach der Stelle, wo der Lärm sich hören ließ. Am Vereinigungspunkt der beiden Wege zeigte eine sich plötzlich erhebende Staubwolke die Ankunft einer zahlreichen Schar von Pferden an, die einflußreiche oder sehr wohlhabende Personen der Provinz Sonora auf der Reise vor sich her zu schicken pflegen.
Diese Pferde von einer an die Freiheit auf unermeßlichen Weiden gewöhnten Rasse sind gerade noch ebenso kräftig, wenn sie zwanzig Meilen, ohne geritten zu werden, zurückgelegt haben, als ob sie eben aus dem Stall kämen. Man sattelte sie abwechselnd der Reihe nach während der längsten Reisen, die man auf diese Weise mit einer Schnelligkeit zurücklegt, die der Geschwindigkeit europäischer Posten, wo jeder Haltepunkt frische Pferde liefert, gleichkommt. Wie es gewöhnlich der Fall ist, ging eine Stute, mit einem Glöckchen versehen, als Führerin dem Zug voraus, der aus ungefähr dreißig Pferden bestand.
Ein Reiter aus dem Gefolge der Reisenden, die sich so pomphaft ankündigten, kam im Galopp heran. Er sprengte bei den Pferden vorbei und hielt die Stute an, wodurch die ganze Schar zum
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