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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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jetzt zweifelte er nicht mehr.
    Kalter Schweiß trat bei dem Gedanken an diese unverzeihliche Nachlässigkeit auf Gomez' Stirn. Sein einziger Trost war nur, daß die Flucht der Indianer keine Treulosigkeit verbergen konnte, da ihr Häuptling als Geisel zurückblieb. Er beschloß jedoch, ihn genau zu überwachen. »Ein Häuptling darf nicht mitten unter seinen Freunden allein bleiben, und ich werde darum sechs von unseren Leuten den Befehl geben, in seiner Nähe zu bleiben, wie es sich ziemt. Sie werden die Erzählung von seinen Kämpfen anhören.«
    Gomez verließ die Antilope, ohne den verächtlichen Zug auf den Lippen des Indianers zu sehen, und gab sechs seiner Kameraden den Befehl, sich um den Läufer herumzusetzen und ihn zu erdolchen, sobald sich der geringste Anschein von Verrat kundgeben würde. Der Mexikaner fing an, sich an das Kommandieren zu gewöhnen. Einen Augenblick dachte er daran, die Unvorsichtigkeit, die eine so gefährliche Hilfe für die Indianer geworden war, wiedergutzumachen und eine Abteilung zur Einsammlung von Holz abzusenden; aber seine Truppe wäre dadurch zu sehr geschwächt, und er verwarf diesen Gedanken bald wieder.
    Das Lager blieb also in die vollständigste Dunkelheit eingehüllt. Diese Dunkelheit aber war nicht nur eine Gefahr für die Abenteurer allein; vielleicht hatten sich diejenigen, deren Abwesenheit so fühlbar war, verirrt, und nun fehlte ihnen der Widerschein der Feuer, um durch sie ihren Rückweg wiederzufinden. Die Gedanken des Menschen sind immer von den Szenen abhängig, die ihn umgeben, und die Finsternis, die überall herrschte, die weißen Dünste, die langsam aus dem Schoß der Erde emporstiegen und die Sterne verhüllten, trugen dazu bei, die Gedanken aller Lagerbewohner zu verdüstern. Sie fingen an zu zweifeln, ob ihr Chef und seine drei Gefährten jemals wieder zu ihnen zurückkehren würden. In solchem Fall ist von der Furcht zur Gewißheit nur ein kleiner Schritt, und Don Estévan und seine Begleiter wurden bald als verloren betrachtet. Leise geführte Unterhaltungen wurden unterbrochen. Jeder behielt seine Unruhe für sich, und im Lager wie auf der unermeßlichen Ebene herrschte ein düsteres Schweigen.
    Bald jedoch störten unbestimmte Laute diese feierliche Stille. Man glaubte aus der Ferne etwas wie ein schwaches Wiehern zu vernehmen. Gomez hatte sich mit der ihm so plötzlich zugefallenen Würde in Gedanken schon etwas vertraut gemacht und beeilte sich jetzt – angespornt durch die Nähe der Gefahr, die von allen schon vorhergefühlt wurde, ehe sie noch da war –, selbst mit dem indianischen Läufer zu sprechen, den er für einen wirklichen Häuptling hielt.
    Antilope war mitten unter denen, denen Gomez seine Bewachung übertragen hatte, noch ebenso kaltblütig wie sonst.
    »Die Ohren eines Weißen«, sagte der Mexikaner in seiner Anrede an den Apachen, »sind nicht so fein wie die eines Indianers. Könnte wohl der Häuptling sagen, ob dies das Wiehern der Pferde der Abgesandten ist, das sich dort unten in der Ebene hören läßt?«
    Der Indianer horchte aufmerksam einige Sekunden lang. »Es sind die Abgesandten«, antwortete er; »sie wollen erfahren, ob der Häuptling mit der doppelläufigen Büchse und derjenige, der Pedro Diaz heißt, endlich heimgekehrt sind.«
    »Die Indianer wissen vielleicht besser als die Weißen, daß diese beiden Häuptlinge niemals zurückkehren werden; wenn sie aber diesmal nicht mit demjenigen, den die Kameraden an seiner Stelle gewählt haben, mit mir über den Frieden verhandeln wollen, so nehmen wir an, daß sie den Krieg wollen.«
    »Gut!« sagte der Indianer. »Der Schwarze Falke ist ein gefürchteter Häuptling, der niemand fragt, was er sagen oder tun soll.«
    Während dieser kurzen Unterredung war der ferne Lärm immer größer geworden. Die Erde widerhallte dumpf vom Galopp von Pferden, die man in der Dunkelheit noch nicht sehen konnte. Ein unheimlicher Schauder lief durch das Lager; die Goldsucher jedoch verließen sich auf die Gegenwart der Antilope und dachten noch nicht daran, sich in Verteidigungszustand zu setzen.
    Gomez wollte den Befehl dazu geben, als ihm der Indianer ein Zeichen gab, zu lauschen, und selbst zuerst den Kopf vorneigte. »Das sind die Abgesandten noch nicht!« sagte er. »Sieh!«
    Eine Schar Pferde sprang durch die Ebene, nahe genug, um zu unterscheiden, daß keines einen Reiter trug. »Es sind wilde Pferde«, fuhr der Indianer fort, »und meine Krieger machen Jagd darauf. Wenn sie diese

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