Der Waldläufer
sage ich euch.«
»Ach«, sagte Fabian, »jetzt sehe ich ihn; der Finger Gottes war es, der mich wider meinen Willen nach diesem verfluchten Ort trieb. Geist meiner Mutter«, fügte er ganz leise hinzu, »freue dich in der Tiefe deines Grabes!«
Pepe schwieg, aber bei dem Namen, den er eben vernommen hatte, hob er ebenfalls den Kopf. Der Haß leuchtete in seinem Blick, und sein Auge schien die Entfernung zu messen, die ihn noch vom Gegenstand dieses Hasses trennte. Kaum hätte ein geschickter Schütze wie Bois-Rosé einen von den Reitern getroffen, und Pepe versteckte sich wieder hinter den zackigen Felsen. »Richte dich doch nicht so weit empor, Pepe«, sagte der Kanadier, »du wirst sonst gesehen werden!«
»Bemerkst du hinter ihnen keine anderen Reiter?« fragte Fabian.
»Niemand. Von der Spitze dort unten, wo der Fluß sich in zwei Arme teilt, bis hierher sehe ich nur Nebel und Sonne und kein lebendes Wesen ... sofern nämlich«, fuhr Bois-Rosé fort, nachdem er einen Augenblick innegehalten hatte, als suchte er sich die Erscheinung eines fernen Gegenstandes zu erklären, »sofern, wie ich annehme, jene schwarze Masse, die ich auf dem Fluß treiben sehe, ein abgestorbener, fortschwimmender Baum ist. Jedenfalls aber – mag es nun ein Stamm oder ein Rindenkanu sein – folgt der schwarze Körper der Strömung des Wassers und entfernt sich folglich von uns.«
»Was liegt daran?« fragte Fabian, der sich viel mehr für die Überwachung Don Estévans als für die Aufklärung eines fernen Geheimnisses interessierte. »Beschreibe mir die Reiter, die den Führer begleiten; vielleicht kann ich sie an der Schilderung, die du davon entwirfst, erkennen.«
»Aha!« fuhr der Kanadier fort. »Das Rindenkanu oder der Baumstamm ...«
»Laß doch, um Gottes willen, dieses ferne Ding ruhen!« sagte Fabian, von einer wütenden Ungeduld ergriffen. »Was haben wir uns darüber Sorge zu machen?« »Frage auf einem unbekannten Meer den Matrosen im Mastkorb, ob er sich über die Felsenriffe beunruhigen soll. Wohlan! Wenn ich es denn aussprechen muß: Dieser schwarze Körper kann ein Rindenkanu sein; und Gott gebe, daß es nicht hier mit einigen von diesen Freibeutern landet, deren es so viele in der Steppe gibt. Gut, das Kanu verschwindet im Nebel.«
»Die Reiter? Die Reiter?« wiederholte Fabian mit dumpfer Stimme.
»Was die drei Reiter betrifft, so kenne ich sie nicht. Es ist einer dabei, dessen Wuchs gerade und schmächtig ist wie eine Binse; welch ein schönes Pferd reitet er!
»Ein rotbraunes Pferd, goldene Tressen an seinem Filzhut, edles Gesicht?«
»Geradeso.«
»Es ist Pedro Diaz.«
»Hilf, Himmel!« fuhr Bois-Rosé fort. »Da ist ein anderer, der hat wohl Gefallen daran gefunden, seinen Mantel zu zerfetzen.«
»Das ist Oroche«, unterbrach ihn Fabian. »Und was tun sie jetzt? Aber es wäre wirklich eine Feigheit, uns jetzt nicht zu zeigen, wo Gott uns Don Antonio fast allein zuschickt!«
»Geduld!« sagte Pepe. »Ich habe ebenso wie Ihr ein Interesse, ihn nicht entkommen zu lassen, aber Übereilung kann alles verderben. Wenn man fünfzehn Jahre gewartet hat, so kann man wohl noch eine Minute länger warten. Sind sie allein, Bois-Rosé, oder bemerkst du in der Ferne noch das übrige Gefolge?«
»Der Sand wirbelt zwar dort unten, aber es ist der Wind, der ihn aufjagt; sie sind allein. Ach, seht, sie halten an, als ob sie sich orientieren wollten! Sie blicken nach allen Seiten hin. Da steigt der Mann mit dem zerfetzten Mantel vom Pferd und nähert sich der Weideneinfassung.«
»Ja«, sagte Fabian, »sie haben gute Gründe, den Weg zu wissen; aber befindet sich nicht unter ihnen ein Mann in einer Gamuza lohbraune Hirschhaut auf einem Apfelschimmel? Wenn es der Fall ist, so ist es Cuchillo.«
»Er ist nicht dabei«, erwiderte der Jäger. »Doch halt – der Mann mit dem Mantel bückt sich, er rafft Sand auf und schwingt ihn in der Hand. Er öffnet halb den Lianenvorhang, er verschwindet hinter der Hecke ... Ach, der Schelm hat die Goldmine gefunden«, fuhr der Jäger fort; »aber ich müßte mich sehr irren, wenn wir nicht bald mit ihm Abrechnung halten.«
Einen Augenblick war alles still; die drei Freunde hielten selbst den Atem an.
Der Jäger nahm jedoch bald seine Beobachtungen wieder auf. »Es scheint mir, als ob das Wasser des Sees sich bewegte«, sagte er. »Ach, der Mann mit dem Mantel ist aus der Umzäunung herausgetreten; er spricht mit einem seiner Gefährten, und beide springen wie wahnsinnig umher.
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