Der Waldläufer
Schauer teuflischer Freude ergriff ihn in dem kühlenden Wasser des Sees. Er glich hier dem Raubvogel, der in den Wolken schwebt und wartet, bis das Schlachtfeld ihm sein Opfer überläßt. Er ahnte leicht, daß sich ein tödlicher Kampf zwischen Fabian und dem Herzog von Armada entspinnen würde, und berechnete schnell die günstigen Aussichten, die ihm noch blieben.
Wenn die drei Jäger siegten, so hatte er wenig oder nichts von Fabian zu fürchten, der in seinen Augen immer noch Tiburcio Arellanos war. Die Mexikaner der unteren Klasse betrachten unter sich einen Messerstoß größtenteils wie eine Kleinigkeit, und er hoffte Verzeihung für den zu erhalten, den er Tiburcio gratis versetzt hatte, wenn er das Gehässige in seinem Verhalten auf Don Estévan schob.
Wenn dieser letztere Herr des Schlachtfeldes blieb, so schmeichelte er sich, seine Flucht leicht mit einem glaubhaften Vorwand beschönigen zu können. Er entschied sich daher, den Kampf beginnen zu lassen und im entscheidenden Augenblick dem Stärksten zu Hilfe zu eilen; er war beinahe überzeugt, daß seine Dazwischenkunft, nach welcher Seite auch immer der Sieg sich wenden mochte, dazu beitragen mußte, seine Sache zu verteidigen und seinen Prozeß zu gewinnen.
Während Cuchillo versuchte, sich über sein unglückliches Abenteuer durch Schlüsse zu trösten, die nicht ohne eine gewisse scheinbare Richtigkeit waren, hatte Bois-Rosé die Farbe der zuletzt Gekommenen unterscheiden können. »Es sind vier Reiter aus dem mexikanischen Lager«, sagte er.
»Ich hatte es geahnt«, sagte Fabian. »Wir werden bald die ganze Schar auf dem Hals haben und uns hier wie wilde Pferde in einem Pfahlwerk gefangen sehen.«
»Still!« antwortete Bois-Rosé. »Halte dich nur an mich, wenn es darauf ankommt, uns aus dieser schlechten Lage zu ziehen. Nichts beweist, daß sich noch andere Reiter hinter ihnen befinden, und auf jeden Fall hätten wir keine vorteilhaftere Stellung als diese Anhöhe wählen können, von wo aus wir einen ganzen Stamm Wilder herausfordern könnten; ebensowenig beweist irgend etwas, daß sie die Absicht hätten, hier anzuhalten. Unterdessen werde ich sie überwachen.«
Mit diesen Worten legte sich der Kanadier platt auf die Erde nieder und richtete sich so ein, daß sein Kopf zwischen Steinen, die sich wie Zinnen auf dem Gipfel der Pyramide befanden, verborgen blieb, ohne daß er doch die vier Reiter aus dem Gesicht verloren hätte. Man vernahm bald das Geräusch der Hufe ihrer Pferde mitten im Schweigen der Steppe. Der alte Jäger sah, wie sie einen Augenblick anhielten und sich berieten, aber ihre Stimme gelangte nicht bis zu ihm.
»Warum dieser Aufenthalt, Diaz?« sagte der Herzog von Armada und nicht ohne etwas Ungeduld zu seinem Vertrauten. »Die Zeit drängt; wir haben schon zuviel verloren!«
»Die Vorsicht fordert, daß wir nicht so vorwärts marschieren, ohne die Gegend zu rekognoszieren.«
»Stimmt sie nicht mit der Beschreibung überein, die Cuchillo uns von ihr gegeben hat?«
»Das schon, aber der Schelm muß sich nicht weit von hier versteckt haben, weil wir eben seine Spuren in der Richtung nach jenem Felsen hin wiedergefunden haben; vielleicht ist er nicht allein, und wir haben alles von ihm zu befürchten.«
Don Estévan machte eine verächtliche Gebärde. »Diaz täuscht sich nach meiner Meinung nicht«, sagte Baraja. »Niemand soll mich glauben machen, daß ich nicht etwas wie den Schatten eines Menschen auf dem Gipfel jenes Felsens gesehen habe.«
»Alle jene am Eingang dieser Engpässe von den Indianern niedergelegten Opfergaben«, fügte Oroche hinzu, »beweisen, daß dieser Ort sehr von ihnen besucht ist; er ist vielleicht keine so vollständige Einöde, als es den Anschein hat. Die Indianer sind mehr zu fürchten als Cuchillo, und das Leben Don Estévans darf man am wenigsten aussetzen.«
Don Estévan fügte sich diesen Gründen, und Bois-Rosé sah hinter einer Art von Brustwehr, wie Oroche den Auftrag erhielt, die Gegend zu untersuchen, vom Pferd stieg und sich von der Gruppe trennte.
»Ach«, sagte Bois-Rosé mit leiser Stimme, »ich erkenne jetzt unter diesen Reitern einen von denen, die ich nachts an der Poza gesehen habe, und zwar denjenigen, der sich Don Estévan nennen läßt ... und der niemand anderer ist als Don Antonio von Mediana ... Sein Schicksal liefert ihn endlich in unsere Hände!«
»Don Antonio von Mediana?« wiederholte Fabian. »Ist es möglich? Täuschst du dich auch nicht?«
»Er ist es,
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