Der Waldläufer
wuchsen. Sie war tief genug, um es vor jedem Auge zu verbergen, und er machte sich nun daran, die Pyramide zu ersteigen.
Auf dem Gipfel angelangt, hatte er die Einöden ringsherum durchforscht, um sich zu versichern, ob er auch wohl allein sei. Eine aufmerksame Prüfung von einigen Minuten hatte ihn abermals beruhigt, denn Don Estévan und seine drei Begleiter ebenso wie der kanadische Jäger und seine beiden Freunde befanden sich noch außerhalb des Bereichs seiner Augen zwischen den Hügeln, da sie durch weniger genaue Beschreibungen gezwungen waren, die Gegend zu rekognoszieren. Cuchillo war befriedigt durch das Schweigen, das rings um ihn herrschte, und hatte mechanisch seine Blicke wieder nach der Kaskade gewandt, da er einen Augenblick durch die Nähe der zu seinen Füßen ausgebreiteten Schätze ganz in Anspruch genommen war. Der Wasserstrahl, der in seinem Sturz hinter der Pyramide eine Brücke aus flüssigem Silber über den Abgrund zu bilden schien, brach sich zuweilen in seinem Fall.
Hier war ein Goldklumpen durch die hundertjährige Bewegung des Wassers bloßgelegt und funkelte durch die vom Wind zerstreuten regenbogenfarbigen Dünste in den Strahlen der Sonne. Die ungeheuerste Frucht, die sich jemals zwischen den Blättern einer Kokospalme gewiegt hat, war nicht größer als er. Dieser Goldklumpen war ständig von dem feuchten Staub der Kaskade bespült und strahlte in seinem ganzen Licht. Jeden Augenblick schien er aus seiner Einfassung von Kieselsteinen herausstürzen zu wollen, und doch drohte er vielleicht schon seit Jahrhunderten den Wert des Lösegelds eines Königs mit in den Abgrund zu nehmen.
Beim Anblick dieses Blocks, den er anscheinend mit ausgestrecktem Arm erreichen konnte, hatte Cuchillo einen Anfall wahnsinniger Freude. Gierig beugte er sich mit ausgestreckten Händen und erweiterten Augen über den Abgrund; seine Brust hob sich bis zum Zerspringen, und er wäre der schmerzlichen Aufregung, die ihn ergriffen hatte, unterlegen, wenn er nicht einen Schrei des Schmerzes und der Lust zugleich ausgestoßen hätte. Das war der Schrei, den der Kanadier und seine beiden Gefährten gehört hatten.
Bald jedoch entriß ihm ein Schauspiel, auf das er mitten in dieser Einöde durchaus nicht gerechnet hatte, einen anderen Ausruf; aber diesmal war es ein Ausruf der Wut. Der Bandit hatte eben ein menschliches Wesen bemerkt; einen Mann, der mit ihm das Geheimnis seines Lebens teilte und mit profanem Fuß auf seinen unberührten Schatz trat. Bois-Rosé und Fabian waren für ihn hinter der dicken Einfassung des Val d'Or noch nicht sichtbar; Cuchillo dachte, daß der frühere Grenzjäger allein sei, und ohne Überlegung, fast, ohne sich Zeit zum Anlegen zu lassen, hatte er Feuer auf ihn gegeben. Das war die Ursache des Büchsenschusses; Pepe hatte die Kugel an seinen Ohren vorbeipfeifen hören.
Es ist unmöglich, die Wut und die Bestürzung des Banditen zu schildern, als er, selbst hinter den Zweigen der beiden Tannen versteckt, zwei Männer sich an Pepe anschließen sah und in dem einen von ihnen an seinem hohen Wuchs den schrecklichen Jaguarjäger von der Poza her und in dem anderen Fabian erkannte – denjenigen, der schon zweimal seinem Hinterhalt entgangen war.
Ein tödlicher Schauder erstarrte einen Augenblick sein Herz in der Brust. Betäubt schwankte Cuchillo hin und her; noch einmal mußte er aus diesem Val d'Or fliehen; immer schien ein schreckliches Verhängnis ihn fernhalten zu müssen und neue unersättliche Begierden in ihm zu entzünden.
Glücklicherweise für den Banditen entzogen ihn der dichte Nebel, der noch auf dem Gipfel der Pyramide wallte, und die dicken Flocken, die vom Wind hierhin und dorthin geweht wurden, den Blicken der Feinde, die zu ihm emporklimmten. Als sie auf der Höhe des Hügels anlangten, hatte Cuchillo unbemerkt auf der entgegengesetzten Seite hinabsteigen können, nachdem er noch Zeit gehabt hatte, auch Don Estévan und sein Gefolge in der Ferne zu erkennen. Das war ein neuer Gegenstand der Überraschung für den Banditen, der wie eine Schlange längs der Felsen hinglitt, sich unter die Blätter der Seerose im Wasser versteckte und den Entschluß faßte, die Entwicklung seines sonderbaren Abenteuers abzuwarten.
Cuchillo konnte so von niemand gesehen werden und war bereit, von dem Kampf, der zwischen Don Estévan und seinen drei Begleitern auf der einen und Fabian und seinen beiden Freunden auf der anderen Seite stattfinden mußte, einen Vorteil zu ziehen. Ein
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