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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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zurück; später werdet Ihr wiederkommen, die Bergluft einzuatmen.«
    »Und Ihr seid nicht mehr schwindlig?«
    »Der Kummer, Euch zu verlassen, war mir zu Kopf gestiegen.«
    »Vorwärts!«
    Ein neues Ereignis verzögerte den Abmarsch der beiden Schelme. An der Stelle, wo die beiden Freunde bei ihrer Vereinigung haltgemacht hatten, führte ein enger, von den Springböcken gebildeter Pfad in Schlangenwindungen auf die Anhöhe. Es war ein leichtes, wenn man ihm folgte, unbemerkt in die Felsen hinter dem Grab auf der Pyramide zu kommen und die Ebene wiederzugewinnen – weit aus dem Gesichtskreis oder doch wenigstens aus dem Bereich der Büchsen Bois-Rosés und Pepes.
    »Wir wollen diesen Fußsteig einschlagen«, sagte Oroche zu Baraja. »Warum noch länger zögern? Habt die Güte, mir voranzugehen, und ich folge Euch.«
    »Das kann nicht geschehen!« sagte Baraja. »Ich bin – bei Gott – zu höflich, um dergleichen zu tun.«
    »Oh«, erwiderte Oroche; »machen Freunde so viele Umstände untereinander?«
    »Mein Pferd ist furchtsam, Señor Baraja, und ich bin kurzsichtig. Wahrhaftig, Ihr werdet mir einen Gefallen erzeigen, wenn Ihr vorangeht, da dieser Pfad zu eng ist, als daß zwei Reiter nebeneinander bleiben können.«
    »Laßt sehen – seid aufrichtig! Ihr macht Euch nichts daraus, nach dem Lager zurückzukehren, selbst in Gesellschaft«, sagte Baraja.
    »Ihr ebensowenig als ich.«
    »Ihr möchtet mich lieber in der Hölle sehen, Señor Oroche.«
    »Und Ihr möchtet mich gern zu allen Teufeln schicken, Señor Baraja.«
    Baraja heftete auf seinen Gefährten einen spöttischen Blick. »Leugnet es nur nicht, Señor Oroche«, sagte er; »Ihr wollt mich nur vorangehen lassen, um mir von hinten einen Büchsenschuß beizubringen.«
    »Oh, was läßt Euch solches argwöhnen?«
    »Nun, wahrhaftig, der Wunsch, Euch zu töten, den ich selbst fühle.«
    »Eure Freimütigkeit macht mich offenherzig«, erwiderte der langhaarige Gambusino. »Ich habe es wirklich gewagt, diesen mörderischen Gedanken zu fassen; aber ich bedenke, daß, wenn ich Euch getötet hätte, ich damit doch nicht stärker sein würde gegen diesen wütenden Kanadier, und ich verzichte darauf.«
    »Und ich ebenfalls.«
    »Wir wollen offen gegeneinander sein«, fuhr Oroche fort: »Wir kehren nicht zum Lager zurück, sondern legen uns in diesen Bergen in Hinterhalt. Es wird sich in dieser Nacht wohl irgendeine Gelegenheit bieten, uns von diesen fremden Räubern zu befreien, wenn sie schlafen werden. Dann sind wir nur noch zwei bei der Teilung des Val d`Or und haben nicht mehr nötig, uns gegenseitig zu ermorden. Pfui! So reiche Leute, wie wir es sein werden, sollen im Gegenteil nur dahin streben, ihr Leben zu verlängern. Zum Beweis meiner Aufrichtigkeit gehe ich voran.«
    »Ich nehme diese Ehre in Anspruch«, sagte Baraja.
    »Ich halte darauf, Euch meine Reue zu bezeugen!«
    »Ich hege den lebhaftesten Wunsch, daß Ihr mein Vergehen vergessen möchtet.«
    Die beiden Schelme waren um so eifriger, je mehr Lust sie hatten, sich voneinander zu befreien. Sie schoben nur auf eine spätere Zeit die Ausführung ihres mörderischen Plans auf. Derart war die erneuerte lebhafte Freundschaft, die sie fühlten.
    Oroche ging endlich voran. Er schien in seinem eigenen Herzen Barajas Gedanken so gut zu lesen, daß er ohne Mißtrauen vorausging, ohne auch nur den Kopf umzuwenden. Er wußte gewiß, daß sein Gefährte ebenso wie er in seinen Gedanken nach einem Mittel suchte, seine Dienste zu benützen, ehe er das Werkzeug, von dem er Gebrauch gemacht hatte, zerbrach.
    Diese Überzeugung war bei beiden eingetreten; sie hofften sich zuerst Bois-Rosés und seiner beiden Gefährten zu entledigen, dann würden sie sehen, was sich tun ließe. In der Tat – wenn die drei Jäger im Schlaf ermordet waren und Diaz und Don Estévan, wie sie nicht daran zweifelten, den Tod gefunden hatten – blieben sie dann nicht die alleinigen Besitzer ihres Geheimnisses?
    Obgleich der Weg bis zu der Stelle, wo sich der Wasserfall nicht weit von ihnen in den Abgrund hinter dem indianischen Grabmal stürzte, nicht sehr lang war, so bot er doch ihren Pferden tausend Schwierigkeiten dar, die für die Vicunas, Springböcke von denen er glattgetreten war, nicht vorhanden zu sein schienen. Der Boden war von vulkanischen Ausbrüchen zerrissen, die – nach dem dumpfen Geräusch zu urteilen, das noch im Innern der Berge grollte – aus neuerer Zeit herrühren mußten. In jedem Augenblick stießen sie auf

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