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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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herabgestürzte Felsstücke, die von dem dichten Nebel, der unter den Füßen ihrer Pferde wie Staub aufwirbelte, schlüpfrig geworden waren und ihnen unaufhörlich neue Hindernisse darboten. Zuweilen führte auch der schlüpfrige Fußpfad an tiefen Abgründen hin, in die der geringste falsche Schritt sie hineinstürzen konnte. Ein vor ihnen wallender Nebelschleier ließ die Gegenstände in einer kurzen Entfernung vom Kopf ihrer Pferde nur undeutlich bemerken.
    Mitten in diesem wogenden Nebel wurden Dornensträuche und verkrüppelte Bäume, die auf den Trümmern, in die sie ihre Wurzeln geschlagen hatten, sich hin und her bewegten, in den erschreckten Augen der Reiter zu Indianern im Hinterhalt, zu wilden Tieren von fremdartiger Gestalt, die auf ihrem Weg zu lauern schienen. Ein Springbock, der in einem einsamen Lager überrascht worden war, das der Fuß eines Menschen vielleicht noch niemals betreten hatte, nahm in weiten Sätzen die Flucht und verlor sich im Nebel. Mitten in diesen wilden Szenen grollte die Stimme des noch unsichtbaren Wasserfalls.
    Plötzlich hielt Oroche so ungestüm sein Pferd zurück, daß Barajas Pferd an dieses stieß.
    »Was gibt es?« fragte Baraja mit leiser Stimme Oroche, der die Augen fest auf einen Punkt vor sich richtete und durch ein Zeichen mit der Hand ihm Schweigen empfahl.
    Baraja hatte nicht nötig, seine Frage zu erneuern. Mitten in dem grauen, halb durchsichtigen Nebel lag ein Mann mit triefenden Haaren und besudelten Kleidern platt auf der Erde und versperrte so den engen Pfad vor ihnen. Das war alles, was man durch den wogenden Nebel, der sich nach allen Richtungen hin bewegte, bemerken konnte. War dieser undeutliche Körper der eines Indianers oder eines Weißen? War dieser Leib, dessen Umrisse durch den Nebel verwischt waren, lebendig oder nur ein Leichnam? Dies alles konnte Oroche nicht unterscheiden.
    Um die Verlegenheit auf den höchsten Punkt zu steigern, lief der Pfad an der Stelle, wo die beiden Abenteurer genötigt gewesen waren, haltzumachen, auf der einen Seite an einem senkrechten Felsen neben einem Abgrund hin und stieß auf der anderen Seite an eine steile Felswand, so daß ein Mann zu Pferd nicht kehrtmachen konnte.
    Oroche zögerte; er war zugleich erschreckt und erstaunt, einem menschlichen Wesen in dieser Einsamkeit zu begegnen, wo nur Adler und Springböcke ihre Wohnung hätten haben sollen. Er betrachtete unruhig die fremdartige Erscheinung. Der Kopf dieses Mannes neigte sich vorwärts über den Abgrund, und bei einer plötzlichen Lichtung konnte er ihn einen Augenblick lang unterscheiden. Er hatte seine Arme unter seinen Leib gestemmt und betrachtete irgendeinen Gegenstand unter sich.
    Das Rauschen des Wasserfalls war an dieser Stelle stark genug, um Oroches Stimme zu übertönen. »Es ist Cuchillo«, sagte er, ohne sich nach seinem Gefährten umzuwenden.
    »Cuchillo?« wiederholte Baraja verwundert. »Und was, zum Teufel, treibt er da?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sendet ihm doch eine Kugel zu; das wird eines der wenigen Dinge sein, die er nicht gestohlen haben wird.«
    »Jawohl«, erwiderte Oroche, »damit der Schuß diesem Kanadier zeige, daß wir hier sind.« Er dachte nicht daran, daß dies außerdem soviel hieß, als sich waffenlos der Gnade seines Freundes anzuvertrauen.
    In diesem Augenblick führte die Luft neue Nebelwolken in die einen Augenblick lang geöffnete Lichtung, und Cuchillo verschwand hinter diesem wallenden Vorhang. Eine Zeitlang konnten die beiden Reiter kaum einander unterscheiden. Es wurde gefährlich – unmöglich sogar –, vorwärts zu gehen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, in den Abgrund zu stürzen; außerdem wollten auch die beiden Goldsucher in keinem Fall Cuchillo von ihrer Gegenwart benachrichtigen.
    »Geht keinen Schritt mehr vorwärts, Señor Oroche!« sagte Baraja so, daß er beim Rauschen des Wasserfalls nur von seinem Freund verstanden werden konnte. »Bedenkt, daß ich einen großen Wert auf Euer kostbares Leben setze!«
    »Ich werde mich auch hüten, es zu gefährden. Ihr findet diese Einöde so schrecklich für einen einzelnen Menschen, und ich möchte Euch gern einen Gefährten erhalten.«
    »Das ist ein Verfahren, dessen edlen Beweggrund ich vollkommen zu schätzen weiß. Was mich anlangt, so hoffe ich, daß Ihr nicht mehr an meiner Aufrichtigkeit zweifelt. Seht, wenn ich nur ein wenig mit der Brust meines Pferdes an die Kruppe des Eurigen stieße, so würde ich mich ganz allein befinden.« Baraja sagte die

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