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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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geboren, um zu sterben. Welche sind diejenigen unter uns, die ihr Dorf nicht wiedersehen werden?«
    »Das Los wird es entscheiden«, antwortete der Mestize. »Gut! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, oder der Schwarze Falke möchte finden, daß seine Krieger lange Zeit zu dem Entschluß gebraucht haben, zu sterben.« Darauf teilte die Gemse ihren Begleitern die Absichten des Mestizen mit, und alle nahmen mit mehr oder weniger Eifer – doch ohne Ausnahme – den schrecklichen Vorschlag an, der ihnen gemacht worden war. Es blieb nur noch übrig, den Plan des Mestizen kennenzulernen, den dieser auch sogleich entwickelte. Als die Indianer ihn vernahmen, stießen sie ein Freudengeschrei aus, das eine ganze Minute dauerte.
    Die drei unerschrockenen Jäger ließen nicht lange auf Antwort warten.
    Über den Plan, den der Heldenmut ihrer Verbündeten und die mit Recht berühmte Schlauheit von Main-Rouge und Sang-Mêlé zur Ausführung ebenso leicht als schrecklich machten, wird der Leser später urteilen; jetzt sagen wir nur, daß der Mestize, nachdem er ihn mitgeteilt hatte, sich mit theatralischer Miene auf den Lauf seiner mit Messingnägeln beschlagenen Büchse stützte und den Ausbruch der Freude der Wilden abwartete.
    Diese ließen es nicht daran fehlen und nahmen mit neuem Freudengeschrei eines befriedigten Rachegefühls die letzten Worte El Mestizos auf. Auch diesmal blieben die drei Jäger die Antwort nicht schuldig. Dann schritt man zur Ziehung der Todeslotterie.
    Die Leidenschaft des Spiels ist bei den wilden Völkerschaften Amerikas viel allgemeiner verbreitet, als man denkt. Sie ist zuweilen so heftig, daß sie – trotz des Eifers der Indianer für die Jagd auf Tiere oder auf Menschen – oft den Sieg über den Blutdurst bei ihnen davonträgt. Es ist mehr als einmal der Fall gewesen, daß wilde Krieger, die im Hinterhalt lagen und im Begriff standen, ihren Feind zu überraschen, diesen entschlüpfen oder sich selbst mitten in einer Knöchelpartie – ihrem Lieblingsspiel – überraschen ließen.
    Ein solches Spiel zog jetzt einer der Indianer aus seiner Weidtasche. Die Knöchel dienen auch bei den Indianern statt der Würfel, und man kam überein, daß die drei, die die wenigsten Augen würfen, sich für die allgemeine Sache opfern sollten.
    Der Fatalismus der Indianer weicht in keinem Punkt dem der Orientalen, und der Tod hat nur sehr selten etwas Schreckliches für sie. Bei dieser außerordentlichen Rasse ist Feigheit nur selten zu finden. Dies war eine jener feierlichen Gelegenheiten, bei denen die Indianer den größten Ruhm darein setzen, vollkommenen Gleichmut zu zeigen. Hier besonders war noch ein Weißer gegenwärtig, denn sie gefielen sich darin, den Mestizen als einen von ihrer Rasse zu betrachten.
    Man würde sich indessen täuschen, wenn man glaubte, daß die Indianer trotz ihrer gewöhnlich düsteren und verschlossenen Stimmung immer mit ihrem stolzen Ernst gewappnet wären. Diese Söhne der Natur haben ebenfalls ihre Augenblicke der Freude und der Mitteilung, in denen die Kinder unserer Städte nicht lärmender sind als die Krieger der Steppe. Aber hier blickte ein Weißer auf die roten Krieger.
    Der Mestize und Rothand saßen mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Boden. Auf ihren Knien lagen die furchtbaren Büchsen, die die letzte Szene in diesem Einzeldrama spielen sollten, wo es sich um das Leben von drei Indianern handelte; sie schickten sich an, die Augen zu zählen.
    Der erste, der die Laune des Glücks versuchte, war Gemse. Seine Hand schüttelte die Knöchel und ließ sie dann auf den Sand rollen. Seine schwarzen Augen folgten leidenschaftlich ihren Bewegungen, aber kein Muskel seines Gesichtes hatte gebebt.
    »Vierundzwanzig!« sagte der Mestize, nachdem er gezählt hatte, während der Renegat, der etwas mehr von einem Schreiber an sich hatte als seine wilden Gefährten, diese Ziffer in den Sand schrieb.
    Da es unmöglich war, die vier Indianer, die die Ebene bewachten, zurückkommen zu lassen, ohne sie einem gewissen und nutzlosen Tod auszusetzen, so waren sie natürlich von der Ziehung ausgeschlossen.
    Ein zweiter Krieger folgte der Gemse. Seine Hand berührte kaum die Knöchel; sie rollten zum zweitenmal auf den Sand.
    »Sieben!« rief Sang-Mêlé.
    »Die Krieger werden den Tod von Felsenherz beweinen«, sagte der Indianer, der seine Leichenrede hielt; »sie werden sagen, daß er ein Tapferer war.«
    Jeder von den Knöcheln hatte nur ein Auge gezählt, und sein Schicksal

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