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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Zweige, die dessen Oberfläche bedeckten, verschoben haben könnte. Er dachte, daß sein Leben sicher wäre, solange sein Geheimnis noch ihm gehörte, weil er ein unentbehrlicher Bundesgenosse war; aber sobald ein Blick von der Höhe des Felsens dem wilden Mestizen die wirkliche Lage des Schatzes entdeckte, wurde seine Betrügerei offenbar, und vielleicht würde sich dann Sang-Mêlé einen grausamen Scherz daraus machen, den Indianern das Opfer, das sie nur schwer aufgegeben hatten und dessen Leben ihm fernerhin nutzlos wäre, zu überantworten. Der Unglückliche zitterte zugleich für sein Leben und für seinen Schatz.
    »Höre, Blaßgesicht«, sagte endlich der Mestize mit dem ganzen Stolz der indianischen Rasse, »Main-Rouge und ich haben bis jetzt die Indianer ihren eigenen Hilfsmitteln überlassen, um ihnen fühlbar zu machen, daß sie weder geistig noch körperlich stark genug sind, gegen diese drei Weißen zu kämpfen; aber der Augenblick naht, wo wir diesen Schelmen den Unterschied zeigen werden, der zwischen Weihen und Adlern besteht. Ist es nicht wahr, was ich da sage?« fügte Sang-Mêlé hinzu, indem er für Main-Rouge englisch das wiederholte, was er eben Baraja gesagt hatte.
    »Gewiß!« antwortete der alte weiße Renegat mit einem grausamen Lächeln. »Mein Sohn und ich, wir werden uns bei der Todesmarter des unverschämten Taugenichts befinden, der unsere Zungen den Raben vorwerfen will.«
    Sang-Mêlé fuhr auf die Sonne deutend fort: »Noch lange vor Sonnenuntergang werden diese drei Jäger entwaffnet mein Erbarmen anflehen; aber meine Ohren werden taub sein. Vergiß das nicht, Freund!«
    Baraja verbeugte sich schweigend mit beklommenem Herzen.
    Der Mestize warf auf den Mexikaner einen wilden Blick und sagte, sich zu ihm wendend: »Wenn ich dann also bemerke, daß du mich betrogen hast; wenn ich dort oben nicht den Schatz finde, den du mir versprochen hast, so werden die Qualen, vor denen ich dich gerettet habe, und die Martern, die diese Jäger erdulden müssen, süß sein wie der Tau des Himmels nach einem glühenden Tag im Vergleich mit der Todesmarter, die ich dir bestimme ... ich selbst!«
    »Wie?« schrie der unglückliche Mexikaner, dessen Nerven bei der bloßen Erinnerung an das Schicksal erbebten, das ihn einen Augenblick unter den Händen der Indianer bedroht hatte. »Wenn nun zufällig ... er nicht dort oben wäre ... Wenn sich der Schatz ... wenn ich mich in bezug auf den Ort getäuscht hätte ...«
    Main-Rouge hatte Baraja falsch verstanden, und seine Augen funkelten vor Wut. Er entblößte sein Messer. »Also«, sagte er mit dumpfer Stimme, »gestehst du ein, uns wissentlich getäuscht zu haben ... Ah, es gibt keine Schätze mehr!«
    »Ruhig, du Hausierer mit indianischen Skalpen!« rief nun ebenfalls der Mestize mit donnernder Stimme. »Das Alter verdunkelt deinen Verstand. Dieser Mensch sagt nicht, daß es keinen Schatz gibt; und dann, was geht es dich an?« fügte er hinzu. »Wer sagt dir, daß ich einwilligen werde, ihn mit dir zu teilen?«
    »Ah«, brüllte der Renegat, »du willst nicht mit mir teilen, du Sohn einer indianischen Wölfin? Wohlan ...« Die beiden Scheusale maßen sich einen Augenblick mit den Augen, als ob der verbrecherische Kampf, von dem Pepe erzählt hatte, sich erneuern sollte.
    »Gemach! Gemach!« sagte der Mestize, der vielleicht der einzige Mensch auf der Welt war, der einigen Einfluß auf den wilden Amerikaner gewonnen hatte. »Wenn ich zufrieden mit dir bin, so werde ich dir einige Knochen zum Abnagen hinwerfen; aber ich werde den Löwenanteil für mich behalten, verstehst du?«
    Der alte Renegat murrte dumpf und sagte nichts weiter; dann legte sich Sang-Mêlé wieder nieder und sog behaglich den Rauch seines Kalumets ein.
    Als der Mestize die letzte Asche aus seiner Pfeife geschüttet hatte, erhob er sich langsam wie der Tiger, der sich nach seinem Schlaf beim ersten Erscheinen der nächtlichen Dämmerung streckt, gegen den Wind wittert und bereit ist, die Jagd zu beginnen. »Es ist Zeit, dem ein Ende zu machen«, sagte er zu dem alten Main-Rouge, der nach der Szene zwischen ihm und seinem Sohn in eine gänzliche Teilnahmslosigkeit verfallen war. »Wir wollen nun sehen, ob der Tod von drei der Ihrigen den Durst nach Rache in der Seele unserer Bundesgenossen erstickt oder aufs neue belebt hat.«
    »Sie werden nur um so hartnäckiger darauf bestehen, ihre drei Feinde lebendig haben zu wollen«, antwortete der Amerikaner; »du weißt es so gut wie ich. Und

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