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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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kann.«
    »Laß uns zuerst daran denken, unser Leben zu retten«. sagte Bois-Rosé ernst. »Was schadet der Hunger, solange er nicht unsere Augen trübt und unsere Arme zittern macht? Vielleicht ist unsere Lage doch nicht ohne Ausweg.«
    Der Kanadier teilte nun in einigen Worten seinen beiden Gefährten die Umstände vom Fall des Indianers mit; er sagte ihnen, wie die Öffnung eines unterirdischen Ganges, der wahrscheinlich eine Verbindung zwischen dem See und dem Innern der Nebelberge bilde, plötzlich vor seinen Augen erschienen sei. Bois-Rosé verhehlte sich ebensowenig als seine Zuhörer, daß diese Entdeckung, so glücklich sie auch sein könnte, doch nur erst unter ganz verzweifelten Umständen benützt werden dürfe. Der See war tief, und wenn sie schwimmend den Ausgang des unterirdischen Kanals erreichen wollten – in der Voraussetzung, daß es weiterhin noch einen Ausgang gebe und daß auch die Indianer, die die Ebene auf der anderen Seite der Wasserfläche überwachten, sie nicht bemerkten –, so setzten sie sich doch der Gefahr aus, ihr Pulver zu durchnässen und so sich jedes Verteidigungsmittels zu berauben.
    Jäger ohne Waffen sind in der Steppe nicht nur der unbarmherzigen Willkür umherstreifender Indianer preisgegeben, sondern auch im voraus zu einem schrecklichen Tod, nämlich zum Hungertod verdammt. Das tiefe Schweigen, das immer noch auf der Seite der Belagerer herrschte, schien anzudeuten, daß Sang-Mêlé nicht länger das Leben seiner wilden Bundesgenossen, von denen schon drei gefallen waren, aufs Spiel setzen, sondern sich wie der Schwarze Falke vor ihm darauf beschränken wollte, die Belagerung fortzusetzen und sie auszuhungern.
    Was diesen Felsen mit unerschütterlicher Grundlage anbelangte, so war nicht zu hoffen, daß er jemals wie die schwimmende Insel aus dem Grund herausgerissen werden könnte.

53 Baraia, der Wind gesät hat, erntet auch weiterhin Sturm
    Nach dieser Beratung, die den Augen der drei Belagerten kein neues Licht brachte und ihnen keine Aussicht auf Rettung eröffnete, gab sich ein jeder von ihnen wieder still seinen geheimen Gedanken hin. Alle drei lauschten dem dumpfen Rauschen des Wasserfalls in der Tiefe des Abgrunds, dessen ehrfurchtgebietende Stimme ihnen wenigstens sagte, daß ihnen noch zwischen der Gefangenschaft, die schrecklicher war als der Hunger, der Abgrund als letzter Zufluchtsort übrigbliebe.
    Lassen wir nun für einen Augenblick die Belagerten all das energisch in Anspruch nehmen, was die Gewöhnung an Gefahren in ihnen an unerschütterlicher Ausdauer, an moralischem Mut und an erfindungsreicher Fruchtbarkeit des Geistes entwickelt hatte, und blicken wir erst einmal genauer auf die Gefahren, die ihnen drohten und die mitten in dem hartnäckigen Schweigen, das die Belagerer hinter den sie deckenden Felsen beachteten, immer größer wurden.
    Fünf Indianer – denn bis auf diese Zahl hatten die Büchsen der Jäger und der Hinterhalt in der Ebene sie verringert – lagen hinter ihrer Verschanzung. Sie hatten ihren Kopfputz aus Federn und ihre wallenden Mäntel aus Büffelhaut abgelegt; ihre Körper waren halb nackt; mit racheglühenden Blicken beobachteten sie durch die Zweige der Gesträuche hindurch gierig die geringste Bewegung des Feindes.
    Ihnen gegenüber erhebt sich das indianische Grabmal mit seinen düsteren Zieraten und seinen Felsenzinnen, deren Zwischenräume nichts erblicken lassen. Der Wind bewegt das trockene Gras auf dem Gipfel der Anhöhe, wo die drei Christen niedergekauert liegen. Die Zweige der Tannen schwanken langsam über ihren Häuptern. Keine Spur eines menschlichen Körpers ist sichtbar, kein Büchsenlauf glänzt in der Sonne – und doch wissen die Apachen, daß bei der geringsten Unvorsichtigkeit von ihrer Seite die düstere Plattform einen jähen Blitz und zugleich den Tod entsendet. Unter ihnen sitzen der alte weiße Renegat und Sang-Mêlé; ihre langen schweren Büchsen liegen an ihrer Seite; beide rauchen aus einer indianischen Pfeife mit einem Kopf aus roter Erde und werfen von Zeit zu Zeit einen unheimlichen Blick auf den bleichen und unruhigen Baraja.
    Zu dem Schrecken, den diesem seine entsetzlichen Bundesgenossen einflößten, gesellt sich noch die Unruhe über die wahrscheinliche Entdeckung des wunderbaren Goldlagers. Er hatte den letzten von der Kugel des alten Waldläufers getroffenen Indianer mitten in das Tal hinabstürzen sehen und zitterte, daß der Apache durch seine krampfhaften Bewegungen im Todeskampf die

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