Der Waldläufer
wer kann vorhersagen, wann wir uns ihrer bemächtigt haben werden? Die Zeit drängt, und meine Ansicht ist, daß wir uns ohne viele Umstände bemühen, sie so schnell wie möglich zu töten.«
»Wahrhaftig«, sagte Sang-Mêlé mit spöttischem Ton, »der Durst nach Gold drängt dich gar sehr. Das ist recht gut, aber wie würdest du es anfangen, diese Fische aus ihrem Bad zu locken und sie ohne viele Umstände zu töten?«
Der Renegat suchte einige Augenblicke eine befriedigende Antwort auf die Frage seines Sohnes, und da er keine fand, so schwieg er.
»Du siehst«, fuhr Sang-Mêlé fort, »daß du ohne die Hilfe dieser Indianer nicht leicht zum Ziel kommen wirst; und gerade darum will ich wissen, ob sie noch auf ihrem Plan bestehen, ihrem Häuptling seine drei Feinde an Händen und Füßen gefesselt zuzuführen. Obgleich ich meinesteils das kleinste Stückchen von dem Gold, das uns dieser weiße Luchs verspricht, allem Blut vorziehen würde, das in den Adern der drei Jäger fließt ...«
»Sang-Mêlé hat einen seiner Gnadentage«, unterbrach ihn spöttisch der amerikanische Räuber. »Meinetwegen geschehe, was deine Laune und die dieser ... Indianer will; aber machen wir jetzt ein Ende damit!«
Ohne länger zu zögern berührte der Mestize mit dem Finger einen der wilden Krieger, die auf einer Felserhöhung lagerten, denn diese Unterhaltung fand am Fuß der Felsenabdachung statt. Der Indianer wandte sich um und kam zu ihm herab; es war derjenige, der sich selbst mit dem Namen Gemse bezeichnet hatte. Er heftete auf Sang-Mêlé einen glühenden Blick, in dem man einen düsteren Groll lesen konnte. Man wäre in Verlegenheit gewesen, ob man ihn mehr der Unzufriedenheit oder dem Mißtrauen zuschreiben sollte – vielleicht drückte er beides aus.
»Was will El Mestizo von dem Indianer, der drei seiner Brüder betrauert?« fragte der Krieger.
»Etwas wissen, was mich in Verlegenheit setzt«, sagte Sang-Mêlé: »Nämlich das Mittel entdecken, diese drei weißen Krieger, deren Hände von indianischem Blut gerötet sind, lebendig zu fangen. Eine Wolke verdunkelt den Geist Sang-Mêlés und hindert ihn, eines zu entdecken. Wir müssen die drei Weißen töten.«
»Es gibt ein Mittel: Während wir in der Ebene jagen und das Fleisch der Springböcke und Damhirsche verzehren; während der Duft unseres Wildbrets bis auf den Gipfel des Felsens steigen wird, wo sich die drei Weißen befinden, wird sich der Hunger bei ihnen niederlassen.«
»Das ist sehr langwierig«, erwiderte der Mestize; »die Apachen werden mehrere Tage und mehrere Nächte zählen müssen.«
»Sie werden diese vorübergehen lassen.«
»Die Stunden Sang-Mêlés und Main-Rouges sind kostbar; ihre Geschäfte rufen sie jenseits der Berge. Sie können nur bis zur nächsten Sonne bleiben. Findet die Gemse kein besseres Mittel als den Hunger?«
»Mein indianischer Bruder wird eines finden, weil er mit den Gaben des Indianers den Scharfsinn der Weißen verbindet, denen nichts unmöglich ist. El Mestizo hat es versprochen; er hat nur ein Wort!«
»Die Gemse«, erwiderte der listige Mestize, »hat auch nur ein Wort und hat gesagt: »Die Gemse willigt ein, ihr Leben und das ihrer Krieger zu opfern, um die drei Weißen zu fangen.‹«
»Die Gemse hat nur ein Wort!« erwiderte der Indianer hochherzig.
Sang-Mêlé schien einige Minuten nachzudenken, obgleich sein Plan schon im voraus gefaßt war. Er hatte einen Augenblick gefürchtet, trotz der prahlerischen Worte der Gemse mit schwachherzigen Bundesgenossen zu tun zu haben, und wünschte sich im Grund des Herzens Glück zu dem wirklichen, nicht prahlerischen Mut, den er bei einem von ihnen fand. Der Gedanke, daß nur indianisches Blut fließen sollte, um seine Habgier zu befriedigen, war auch weit davon entfernt, ihm zu mißfallen. »Mein Geist ist jetzt wolkenlos wie der Himmel; meine Augen sehen deutlich die drei Jäger in den Händen ihrer Feinde; aber drei Krieger unter meinen Brüdern werden sie nicht sehen, denn der Tod wird über sie gekommen sein.«
»Sang-Mêlé, dessen Verstand so scharf ist, hätte nicht schon drei andere töten lassen sollen!« sagte der Indianer mit vorwurfsvollem Ton.
»Sang-Mêlé kann seinem Verstand nicht befehlen; er wartet auf seine Eingebungen, wenn sie gerade kommen. Ich sage noch einmal: Drei Krieger müssen ihre Gebeine hier zurücklassen, aber die Hand ihres Bundesgenossen wird sie bewachen.«
»Was hilft es?« sagte der Indianer heldenmütig. »Der Mensch ist
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