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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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vernichtet zu sein. Er war unbeweglich, sein Blick ausdruckslos; die Verzweiflung hatte bei ihm den höchsten Punkt erreicht – den, wo sie stumm wird. In einem starken Herzen aber ist dies der Augenblick, der dem Erwachen der Energie vorangeht.
    Er blieb lange Zeit in dieser schrecklichen Krisis, denn die augenblicklich durch den nächtlichen Regen entstandenen Gießbäche hatten zuerst aufgehört zu rauschen, dann hatten sie nur noch sanft gemurmelt und waren endlich ganz still geworden, ohne daß Bois-Rosé seine Stellung geändert hätte. Endlich jedoch hob der alte Waldläufer langsam das Haupt wie ein Mann, der von einem todähnlichen Schlaf befallen ist und bei dem der einzige Lebensfunke, der sich nach dem Herzen als der letzten Festung einer mit Sturm genommenen Stadt geflüchtet hatte, nach und nach wieder erwacht, das Blut wieder in Umlauf setzt und den Gliedern wieder Leben einhaucht. Sein Arm streckte sich unwillkürlich aus; seine Hand öffnete sich, als wollte sie seine gewöhnliche Waffe suchen und ergreifen, aber seine Finger begegneten nur dem leeren Raum. Das war der erste Stoß, der ihn zum äußeren Leben zurückrief; er besann sich, dann streckte er beide entwaffnete Arme gen Himmel.
    In diesem Augenblick kam ein Mann um die Felsenkette, die wir so oft erwähnt haben; Bois-Rosé sah ihn, bebte, und sein Gesicht erglänzte von einem bleichen Strahl der Freude. Das war Pepe. Ist das Gesicht eines Freundes nicht immer gleich dem Widerschein der wachenden Vorsehung? Eine dunkle Wolke lagerte noch auf der Stirn des sorglosen spanischen Jägers. Ein rascher, auf seinen alten Gefährten geworfener Blick beruhigte ihn, denn Bois-Rosé kam ihm entgegen. Pepes Stirn klärte sich auf; er fühlte, daß die Eiche zu tiefe Wurzeln in die Erde geschlagen hatte, um schon zu fallen, und er freute sich, sie wieder feststehend zu finden. In alter Zeit hatte wohl ein kräftiger, tapferer Ritter, der durch den Fall einer Zinne oder durch den Schlag einer Streitaxt in seiner Rüstung fast zerschmettert worden war, solche Augenblicke von Betäubung und Schwäche, wie sie den Kanadier befallen hatten; Bois-Rosé erwachte ebenso aus seiner Betäubung. »Nichts?« fragte er mit gebrochener Stimme. »Nichts!« antwortete mit festem Ton der ehemalige Grenzjäger, der bei der wiedergewonnenen Fassung des Jägers jede gewöhnliche Tröstung entschlossen beiseite ließ. »Aber wir werden finden.« »Das habe ich mir auch schon gesagt. Laß uns also suchen!«
    Fabians Name wurde weder von dem einen noch von dem anderen ausgesprochen, ihr Herz war zu voll von der Erinnerung an ihn; jeder dachte daran, ohne es sich zu sagen.
    Pepe wollte jedoch die Rückkehr seines Gefährten zur Energie erproben. Nur dadurch, daß sie kaltblütig ihre Aussichten berechneten, daß sie beide ihre durch den Schmerz nicht mehr verdunkelte Verstandeskraft vereinigten, konnten sie auf einen glücklichen Erfolg rechnen. Und Pepe legte unerbittlich den Finger auf die noch nicht vernarbte Wunde, um sich von der Kraft des Kranken zu überzeugen. »Er ist entweder tot oder lebendig«, sagte er und sah dabei den Kanadier fest an; »in dem einen wie in dem anderen Fall müssen wir ihn wiederfinden.«
    Der Kranke bebte nicht. »Das ist meine Ansicht«, erwiderte er kaltblütig, so vollständig war der Rückschlag gewesen. »Wenn ich ihn tot wiederfinde, werde ich mich töten; wenn ich ihn lebend wieder antreffe, so werde ich leben. In dem einen wie in dem anderen Fall werden meine Leiden nicht lange dauern.« »Gut«, sagte Pepe, der im geheimen seine Pläne machte und auf den wohltätigen Einfluß der Zeit rechnete, die alle schmerzlichen Stunden vernarbt, was auch die Dichter darüber sagen mögen – wohlverstanden die englischen Dichter, die allein die unheilbaren Schmerzen besingen. »Laß sehen«, fügte er hinzu; »wir müssen nun abermals die Richtung einschlagen, in der dieser Schelm Sang-Mêlé entflohen ist, der sich dem Augenblick viel näher befindet, als er denkt, wo er mein oder dein Messer mitten in der Brust hat; denn ich denke mehr als jemals daran, diesen Einfall zur Wahrheit zu machen.«
    »Laß uns lieber erst versuchen, irgendeine Spur hier wiederzufinden, die uns Aufklärung darüber geben kann, wie Fabian in die Hände der Indianer gefallen ist«, erwiderte Bois-Rosé. »Sieh, Pepe, du erkennst gewiß wie ich diesen flachen Stein für einen von denjenigen, die uns dort oben zur Deckung gedient haben. Er muß also in einem Kampf Leib

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