Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
im Wind schaukelten, die anderen waren von Lianen umschlungen. Das Wasser des Flusses trug in dem über seinen Lauf gebreiteten Lichtgürtel die Zweige und die untergegangenen Stämme mit sich fort, die in einem Feuermeer zu schwimmen schienen.
    Es war die Stunde, wo alles in den Wäldern schläft; wo die wilden Tiere nach der nächtlichen Jagd ausruhen und die furchtsamen den Schlaf am Morgen noch nicht abgeschüttelt haben; wo der Nachtvogel – der erste Vogel, der die Morgenröte begrüßt – zum gewohnten Schlupfwinkel im hohlen Baum eilt. Das tiefe Schweigen der schlummernden Natur wurde also nur durch das eintönige Geräusch der Ruder gestört, die den dumpf rauschenden Fluß teilten.
    Ein trauriges Ereignis erhöhte noch die Majestät dieser feierlichen Stunden. Der verwundete Komantsche war bis jetzt, auf dem Boden des Kanus ausgestreckt, regungslos liegengeblieben und fing jetzt an, von Zeit zu Zeit dumpf zu stöhnen, als ob die Seele die letzten Bande zerreißen wollte, die sie noch an den Körper fesselten.
    »Wah-hi-ta hört die Stimme seiner Väter«, murmelte der Indianer und bewegte sich schwach auf dem Boden der Barke.
    »Was sagen sie ihm?« fragte Rayon-Brûlant, indem er einen Augenblick zu rudern aufhörte.
    »Seinen Todesgesang anzustimmen«, antwortete der Komantsche. »Aber Wah-hi-ta hat nicht mehr die Kraft dazu; dann rufen ihn diese Stimmen und sagen ihm, zu kommen.«
    »Rayon-Brûlant wird für Wah-hi-ta singen«, sagte sanft der junge Häuptling, dessen Stimme doch so laut im Kampf erklang; »aber er wird singen, wie man auf dem Kriegspfad singt.«
    Nun ließ er in leisem, verschleiertem Ton eine Art von klagendem Gesang vernehmen, den das Geräusch der Ruder taktmäßig begleitete. Dieser Todesgesang, in den alle Großtaten verwebt waren, die die Klugheit und die Kühnheit eines Kriegers der Prärien – sei es bei der Jagd auf Büffel oder auf wilde Tiere, sei es in den Wechselfällen des Krieges – bezeichnen, vergrößerte noch die traurige Harmonie der schweigenden Nacht.
    Die weißen Jäger verstanden ihn nicht ganz; aber dieser Todesgesang weckte im Herzen des Kanadiers nicht weniger schwermütige Klänge. Würde Fabian wohl einen Freund finden, um so seine letzten Augenblicke zu versüßen? Mehr als einmal brachten diese bitteren Gedanken stille Tränen in Bois-Rosés Augen, und er wandte sich ab, um sie zu verbergen.
    Während dieser Zeit verbreitete das Kanu über den Lauf des Flusses und über beide Ufer immer noch den rötlichen Schein seines Feuers, das jedoch weniger hell zu strahlen begann, und der Waldläufer vergaß wie Pepe die düsteren Gewässer hinter ihnen zu untersuchen.
    Der Schein der Glut erlosch langsam, als der junge Häuptling zu singen aufhörte. Die Nacht versank wieder in ihr majestätisches Schweigen.
    Es schien, als ob der Indianer nur auf diesen Augenblick gewartet hätte, um zu sterben. Eine letzte Zuckung bewies, daß das Leben ihn bald verlassen würde. »Wah-hi-ta ist zufrieden«, murmelte er abermals; »er hat durch den Mund eines Freundes auf die Stimme seiner Väter geantwortet. Er wird nicht mehr lange ein Hindernis für den Marsch seiner Brüder sein; Rayon-Brûlant wird dorthin« – der Indianer schien die Gegend seines Dorfes zu bezeichnen– »die Nachricht bringen, daß der Tod einen Krieger auf dem Kriegspfad gefunden hat.«
    Nach diesen so leise gesprochenen Worten, daß man sie kaum verstehen konnte, starb der Indianer in den Armen des jungen Häuptlings. Das Kanu setzte seinen Lauf noch einige Augenblicke fort; dann, als man sich überzeugt hatte, daß der Lebenshauch wirklich von den Lippen Wah-hi-tas entflohen war, ließen die Ruderer das Fahrzeug an einem Ufer landen. Zwei Indianer stiegen mit der wollenen Decke des Toten an Land, und als sie mit schweren Steinen gefüllt und der Vorrat an trockenem Holz erneuert war, setzte das Kanu seine Fahrt fort. Der Mantel Wah-hi-tas wurde nun um seinen Körper gebunden, und die drei Indianer senkten den Toten in den Fluß, um ihn vor jeder Entweihung zu schützen.
    Das wieder angefachte Feuer verbreitete einen lebhafteren Schein; der Lichtkreis wurde größer, öffnete sich, und der Körper versank langsam in einer leuchtenden Wasserfläche, die sich wieder über ihm schloß.
    »Der Große Geist hat die Seele eines Tapferen zu sich genommen«, sagte Rayon-Brûlant; »seine Leiche ist vor den Beschimpfungen der Apachenhunde geschützt. Vorwärts!«
    Das Kanu schoß unter dem Druck der Ruder

Weitere Kostenlose Bücher