Der Waldläufer
beiden abschüssigen Ufer, und die Neuangekommenen konnten sehen, was sich oben auf diesem Bogen zutrug, der auseinandergerissen war, als ob ein Schlußstein des Gewölbes vergessen sei. Was sich jetzt unter den Augen der beiden Jäger zutrug, ging so schnell vor sich, daß sie eben nur mit den Blicken daran teilnehmen konnten. Auf jeder Seite des zerrissenen Bogens suchte ein Krieger den Raum zu überspringen, der beide voneinander trennte.
»Halt! Halt! Komantsche!« rief der Kanadier, der ebenso wie Pepe seine Büchse wieder lud, was bei der Schnelligkeit ihres Laufes nicht hatte geschehen können. »Überlaßt es mir! Hier bin ich!«
Rayon-Brûlant – denn er war einer von den beiden Kriegern – blieb bei dem Zuruf seines Verbündeten einen Augenblick stehen. Dieser Augenblick war genug für den anderen Indianer, der mit dem Ausruf: »Die Antilope kann weiter springen!« mit einem Satz über den Abgrund flog, der ihn von Rayon-Brûlant trennte, und auf den Körper seines Feindes niederfiel, ihn fest umklammernd.
Bois-Rosé war im Begriff, Feuer zu geben; aber in diesem Kampf Leib an Leib konnte man unmöglich daran denken, den Apachen aufs Korn zu nehmen, und die drei Jäger konnten nur stumme, bange Zuschauer der Anstrengungen sein, die die beiden Krieger machten, um einander in den Fluß zu stürzen. Dieser Kampf dauerte nicht lange und endete rasch so, wie er ablaufen mußte: nämlich mit dem Sturz beider Kämpfer.
70 Ein neuer Freund und ein früherer Feind
Der Fluß brauste noch über die Stelle, wo die beiden Feinde eben verschwunden waren, und die beiden Jäger warfen erstaunte und unruhige Blicke um sich her, ohne sich von den Ereignissen, die sich so plötzlich zugetragen hatten, Rechenschaft geben zu können. Sie wußten nicht, ob sie von Freunden oder Feinden umgeben seien, als plötzlich auf mehreren Punkten des Ufers ein halbes Dutzend schwarzer Körper fast zu gleicher Zeit in den Fluß tauchten.
Dies war ein neuer Gegenstand der Überraschung für Pepe und den Kanadier, vor deren Augen die Finsternis bis jetzt diese Krieger verborgen hatte; aber es war eine schmerzliche Überraschung, denn sie fürchteten, daß es Feinde ihres jungen Verbündeten sein möchten, und sie wagten ihre Büchsen in diesem blutigen Kampf nicht mitsprechen zu lassen, aus Furcht, vielleicht Freunde zu treffen.
Der Kampf war jetzt vom festen Land in den Schoß des Flusses verlegt worden. Eine unglaubliche Masse halb untergegangener Bäume, die noch zu viele Zweige hatten, um durch die schmale Öffnung dieses unheilbringenden Passes dringen zu können, wurden langsam von der Flut stromab geführt und trieben, einer nach dem anderen, an die engen, steilen Ufer. Zwischen diesen Bäumen kamen die Taucher bald wieder an die Oberfläche. Die beiden Jäger folgten, die Büchse in der Hand, das Herz von tausend verschiedenen Gefühlen aufgeregt, mit glühenden Augen den schwarzen, schweigenden Schatten der Schwimmer. Die einen suchten das Netz von Zweigen, das ihre Bewegungen hemmte, zu beseitigen; die anderen erreichten mit kräftigen Stößen eine Stelle im Fluß, wo zwei in verzweifeltem Ringen verschlungene Körper auf der finsteren Oberfläche des Red River bald erschienen, bald verschwanden.
Die Überraschung der beiden Jäger wurde bald noch größer durch den Anblick einer neuen Person – aber dies war eine freudige Überraschung. Ein Weißer wie sie eilte plötzlich aus einem Versteck herbei, wo er bis zu diesem Augenblick verborgen gewesen war, und rief in gutem Spanisch: »Mut, Kinder, hier ist er! Seht, dort kommt er wieder an die Oberfläche!« Und er bezeichnete mit der Spitze eines langen Degens, den er in der Hand hielt, den Ort im Fluß, wo die beiden Krieger, für die er sich interessierte, nachdem sie vom brausenden Wasser verschlungen worden waren, immer noch ringend wieder auf der Oberfläche erschienen.
»Ah, demonio! Das ist doch Pedro Diaz!« rief Pepe lebhaft.
»Gott sei gelobt! Wir sind in Freundesland«, fügte der Kanadier mit einem tiefen Atemzug aus seinen gewaltigen Lungen hinzu.
»Wer ruft mich?« erwiderte Pedro Diaz – denn er war es wirklich –, ohne sich umzuwenden, und zeigte fortwährend mit der Spitze seines Degens auf die beiden zusammen schwimmenden Körper.
Niemand antwortete; die Aufmerksamkeit der beiden Jäger war durch das Schauspiel, das sich unter ihren Augen zutrug, ganz in Anspruch genommen.
Drei Schwimmer hatten endlich die beiden wütenden Kämpfer ergriffen, und
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