Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
Jäger kam bald wieder mit einem Damhirsch auf den Schultern, den er geschossen hatte, zu ihnen zurück, und während er die fettesten und zartesten Stücke davon zum Frühstück braten ließ, lagen seine drei Gefährten am Feuer und schliefen. Als der Braten fertig war, wachten die Schläfer auf und begannen zu essen. Die Sonne war aufgegangen und strahlte an einem Himmel, auf dem keine Spur von dem schrecklichen Sturm am Abend vorher zurückgeblieben war.
    Der alte Renegat beschäftigte sich zuerst so sorgfältig mit dem Gefangenen, daß sein wilder Groll, den er noch von Fabians Worten her bewahrte, daraus hervorleuchtete. »Was wird der Schwarze Falke denken«, sagte er zu Sang-Mêlé, »wenn du ihm einen von Hunger und Leiden jeglicher Art halbtoten Gefangenen überlieferst? Welches Gesicht, welche Haltung soll denn dieser junge Landstreicher am Pfahl zeigen, wenn er nicht die Kraft hat, sich aufrecht zu halten?« »Er wird weniger lange leiden«, antwortete der Mestize gleichgültig. »Was kümmere ich mich darum?«
    »Aber ich kümmere mich darum!« rief der wilde Amerikaner aus. »Ich will sein Fleisch beben und sein Herz schwach werden sehen; ich will hören, wie er um Gnade bittet, und ihm meinerseits sagen können, daß er nur ein Feigling ist.«
    »Mach, was du willst, und laß mich in Ruhe!« sagte der Mestize ungeduldig, bei dem die Liebe vielleicht seine unbarmherzige Seele ein wenig milder stimmte.
    Main-Rouge nahm ein Stück Wildbret und ging zu dem nicht weit vom Feuer angebundenen Kanu. »Hat der Gefangene Hunger?«
    »Ja«, antwortete Fabian fest; »aber ich will nichts essen, und binnen hier und morgen werdet ihr nur noch den Leichnam Eures Gefangenen ins Wasser zu werfen haben.«
    »Der Gefangene ist nur ein falscher Tapferer«, sagte Main-Rouge, der sich in seiner Erwartung getäuscht sah.
    »Und Ihr seid eine wirkliche Memme. Schweigt! Eure Stimme ist meinen Ohren verhaßt wie der Geruch des Iltis meiner Nase.«
    »Oh«, rief der Renegat aus, »ich will dich mit meinen eigenen Händen martern und dir mit dem Fleisch deines Körpers den Widerruf deiner Worte entreißen. Ja, der Gefangene ist nur ein falscher Tapferer; wenn er seines Mutes gewiß wäre, so würde er essen, um seine Kräfte zu erhalten.«
    »Ich werde Euch Lügen strafen«, sagte Fabian, »und will essen; es sind ja auch jetzt zwei Jäger auf meiner Spur, die wollen, daß ich lebe; aber ich esse nicht wie ein Hund an der Kette.«
    »Ah, ah, der Gefangene macht seine Bedingungen.«
    »Ja«, erwiderte Fabian kaltblütig, »ich werde nur Nahrung zu mir nehmen, wenn meine Arme sich frei bewegen können.«
    »Gut, es soll geschehen, wie du es wünschst.«
    Bei diesen Worten hob der athletische Main-Rouge den ganz gefesselten Fabian aus dem Kanu, legte ihn nicht weit vom Feuer auf das Gras und ließ die Bande seiner Arme auf seine Füße niederfallen. Zum erstenmal seit zwölf Stunden konnte der arme junge Mann seine Arme mit einem Gefühl von Wollust frei ausstrecken; darauf lehnte er sich mit dem Rücken an den Stamm eines Baumes und nahm das Stück Wildbret, das ihm sein Henker reichte.
    Sang-Mêlé gab bald das Zeichen zum Aufbruch, und Fabian wurde abermals auf den Armen des alten Renegaten ins Kanu getragen; das war auch der Grund, warum die beiden Freunde des Gefangenen, als sie am folgenden Tag fast zur selben Stunde die um das Feuer und an den Ufern des Flusses zurückgelassenen Eindrücke genau untersuchten, die Spuren Fabians nicht fanden.
    Die Absicht des Mestizen war, ihre Schiffahrt nur bis zur Höhe der Büffelinsel fortzusetzen. Der Bandit wollte sich versichern, ob das Versteck, das ihren Raub umschloß, noch unberührt geblieben wäre. Sobald er einmal Gewißheit hiervon erhalten hatte, verlangte sein wohlverstandenes Interesse, seinen Weg während des folgenden Tages zu Land fortzusetzen, um die zahlreichen Krümmungen des Flusses zu vermeiden, wodurch die Entfernung bis zur Red Fork fast verdoppelt wurde.
    Main-Rouge und Sang-Mêlé nahmen die Ruder zur Hand, und als sie nach ziemlich kurzer Zeit von weitem die wohlbekannte Gestalt der Büffelinsel erblickten, lenkten sie ihr Kanu so, daß sie sehr nahe längs der Ufer hinfuhren. Die beiden Banditen konnten also im Vorüberfahren die kleine Lichtung, die die Frucht ihrer Räubereien bedeckte, übersehen: sie war unberührt, wie sie sie drei Tage zuvor verlassen hatten. Gewiß, wenn jemand den beiden Piraten der Prärien vorhergesagt hätte, daß nach vierundzwanzig

Weitere Kostenlose Bücher