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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Kanadier bot hierauf Tiburcio zwei kalte Bratenschnitten an, die er zurückgelegt und in Oregano gewickelt hatte. Diesmal tat Tiburcio dem Mahl Ehre an, und als er nach dem Rat seines Wirtes einen Schluck Wasser zu sich genommen hatte, das, wie er sagte, das beste Mittel zur Erwärmung des Magens sei, fühlte er, daß er ein ganz anderer Mensch geworden sei. Das leibliche Wohlsein, das er dank dieser Mahlzeit empfand, und die Wärme, die ihm nach dem kühlen Trunk durchströmte, gaben der Zukunft eine hellere Färbung und milderten den Schmerz der Vergangenheit. Beim Anblick des kanadischen Jägers, der seine Wunden mit so großer Sorgfalt verbunden hatte – dessen Sorge sich sogar bis auf sein Mahl erstreckte –, fühlte er sich nicht mehr so allein, so verlassen; ein geheimes Gefühl sagte ihm, daß er einen mächtigen und durch seine herkulische Stärke, seine Unerschrockenheit und seine Geschicklichkeit furchtbaren Freund gefunden habe; Bois-Rosé seinerseits sah vergnügt lächelnd zu, wie er aß, und wurde sich immer klarer bewußt, daß sein Herz dem jungen Mann entgegenschlug.
    »Nun, mein Junge«, sagte der Jäger, »die Indianer haben die Sitte, ihre Gäste, die sie bei sich empfangen, erst dann nach Namen und Stand zu fragen, wenn sie unter ihrem Dach gegessen haben. Ihr befindet Euch hier bei mir, Ihr habt von meinem Mahl gegessen – darf ich Euch jetzt wohl fragen, wer Ihr seid und was auf der Hacienda vorgefallen ist, daß man Euch dort einen solchen Empfang bereitet hat?«
    »Recht gern«, antwortete Tiburcio. »Aus Gründen, deren Kenntnis Euch nicht interessieren dürfte, hatte ich meine Hütte verlassen, um mich nach der Hacienda del Venado zu begeben. Mein Pferd stürzte mitten auf der Straße vor Durst und Mattigkeit unter mir zusammen, und der Leichnam des armen Tieres war es, der den Puma und die beiden Jaguare herbeigezogen hatte, die Ihr und Euer Gefährte so kühn und geschickt getötet habt.«
    »Hm«, sagte lächelnd der Kanadier, »das ist ein ziemlich erbärmliches Geschäft; doch fahrt fort. Welche Beweggründe kann man haben, einen jungen Mann zu hassen, der kaum aus dem Jünglingsalter herausgetreten ist? Denn ich wette, Ihr seid noch nicht älter als zwanzig Jahre.«
    »Vierundzwanzig«, antwortete Tiburcio; »doch ich fahre in meiner Erzählung fort. Ich selbst hätte beinahe das Schicksal meines Pferdes geteilt, und als ihr beide während des Nachtlagers an der Poza zu uns kamt, hatte der Reiterzug, bei dem ich damals war, kaum einige Stunden früher mich sterbend vor Fieber und Durst auf offener Straße gefunden, und ich kann nicht recht klar darüber werden, warum diese Leute mich damals nur gerettet haben, um später einen Mordversuch an mir zu begehen.«
    »Aus Eifersucht vielleicht«, sagte lächelnd der Kanadier; »das ist immer die Geschichte der ersten Jugend.« »Ich gestehe es ein«, antwortete Tiburcio etwas verwirrt; »aber es gibt noch einen anderen Grund: das ist nämlich ein Geheimnis von außerordentlicher Wichtigkeit, das ich mit ihnen teile und dessen ausschließlichen Besitz sie sich allein sichern wollen. Es ist Tatsache, daß es drei Menschen gibt, denen mein Leben im Wege steht; aber unter ihnen gibt es auch einen, an dem Rache zu nehmen ich habe schwören müssen; und obgleich einer gegen drei, muß ich doch den Eid erfüllen, den ich auf dem Totenbett einer Person geschworen habe, die mir sehr teuer war!« (Tiburcio schrieb immer Don Estévan den Mord Arellanos' zu.)
    Das Auge des Kanadiers folgte mit Teilnahme dem bewegten Antlitz Tiburcios und gab heimlich diesem jugendlichen Feuer seinen Beifall, das ihn die Gefahr gar nicht ermessen ließ. »Aber Ihr habt mir Euren Namen nicht genannt«, sagte Bois-Rosé zögernd.
    »Mein Name ist Tiburcio Arellanos.«
    Der Kanadier konnte einen Seufzer nicht unterdrücken, als er diesen Namen hörte, der ihn aus seinen Träumereien in die Wirklichkeit zurückführte.
    »Ruft dieser Name Euch irgendeine Erinnerung zurück?« rief Tiburcio. »Mein Ad...« – Tiburcio wollte sagen: Mein Adoptivvater, aber er hielt inne und fuhr fort: »Arellanos ist oft durch Steppen gereist, wo Ihr ihm hättet begegnen können; er war der berühmteste Gambusino in einer Gegend, die eine große Anzahl berühmter aufzuweisen hat.«
    »Ich höre diesen Namen zum erstenmal«, antwortete Bois-Rosé; »Euer Aussehen allein ... ruft mir ... Ereignisse zurück, die schon längst vergangen sind ...« Der Jäger beendete seine Rede nicht und

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