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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Raummitte aufgetürmt hatten. Noch ehe er wusste, wie ihm geschah, schlug Vitus ihm mit aller Kraft den Datumstein an den Schädel. Nunu gab einen ächzenden Laut von sich und verlor halb das Bewusstsein.
    »Rasch jetzt!«, rief Vitus. »Der Weg ist frei!« Beide wollten zur Tür hinausstürzen, doch Nunu, obwohl noch benommen, erwischte mit der Hand ein Bein des Magisters und hielt es fest. Geistesgegenwärtig schlug Vitus noch einmal zu, doch in der Eile traf er nur ungenau, der Schlag landete auf Nunus Brust. Der Riese schüttelte sich, das Bein nach wie vor umklammernd. Langsam kam er zu sich: »Ihr Schweine!«, ächzte er, während er versuchte, sich aufzurichten. Der Magister zappelte wie ein Fisch an der Angel. Vitus wollte abermals zuschlagen, um den Widerstand des Riesen endgültig zu brechen, doch der andere Arm Nunus fuhr jetzt wild in der Luft herum, was einen Schlag unmöglich machte.
    »Du hast es nicht anders gewollt«, murmelte Vitus zwischen den Zähnen. Er griff in seine Tasche und holte die zwei Eisensteine hervor. Er streichelte sie kurz.
    »Emilio, mein Freund, ich danke dir ...« Dann schlug er sie aneinander. Ein langer Funke sprang ihm aus der Hand und landete im Stroh. Sofort fing ein Halm Feuer.
    »Du hast vielen die Hölle auf Erden bereitet«, sagte er laut zu Nunu, »jetzt schmore selbst darin!«
    Das Stroh brannte wie Zunder. Eine Feuersäule schoss empor und lenkte den Riesen ab. Sein Griff lockerte sich. Der Magister befreite mit einem Ruck sein Bein. Nunu versuchte erneut, es zu packen, während er gleichzeitig die Flammen abwehrte. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus. Schon hatte es die gesamte Kleidung Nunus ergriffen.
    »Komm!«, schrie Vitus. Er packte den kleinen Mann und zog ihn aus der Zelle. Rückwärts blickend sah er, wie Nunu sich auf dem Boden wälzte, um die Flammen an seiner Kleidung zu ersticken, doch genauso gut hätte er versuchen können, einen Waldbrand zu löschen. Schon hatte das Feuer auf Martinez übergegriffen. Auch seine Kleidung stand jetzt in Flammen. Vitus knallte die Zellentür zu.
    »Den Riegel vor!«
    Mit vereinten Kräften versperrten sie die Tür.
    »Was nun?«, fragte der Magister atemlos.
    »Ruhig Blut, ruhig Blut!« Vitus' Gedanken rasten. Zu welcher Seite des Gangs sollten sie fliehen? Zum Hauptausgang, dorthin, wo die Wachsoldaten standen? Oder in die andere Richtung, hinunter zu den Folterkammern? »Ihr Schweineee ...«, kam es heulend von drinnen. Schritte schleppten sich zur Tür. Vitus bekreuzigte sich. Es grenzte an ein Wunder, dass Nunu noch einmal hochgekommen war. Längst musste er eine lebende Fackel sein. Faustschläge hämmerten gegen die Kerkertür. »Ihr Schw... ooooohh ... oooh ... oooh ...«
    Die Stimme erstarb. Sie hörten einen schweren Fall.
    »Er verbrennt, mein Gott, er verbrennt!« In der Stimme des Magisters lag blankes Entsetzen.
    »Ja, er verbrennt.« Vitus hob beschwörend die Hände.
    »Bitte glaub mir, ich habe das nicht gewollt, wer konnte auch ahnen, dass er nicht gleich ohnmächtig wird! Wenn alles geklappt hätte, wäre er jetzt bewusstlos und würde irgendwann, auf Stroh gebettet, wieder wach werden. Gott ist mein Zeuge, mir blieb keine andere Wahl, als Feuer zu legen. Vielleicht hat der Allmächtige ihn durch mich strafen wollen.«
    »Du bist so kaltblütig, so ...«, der Magister schauderte,
    »so fremd. Ich kenne dich kaum wieder.«
    »Ich kenne mich selbst kaum wieder! Vielleicht ist es der Selbsterhaltungstrieb, der mich so handeln lässt. Töten oder getötet werden, eine andere Wahl bleibt mir nicht.«
    »Und was nun? Wir müssen verschwinden, bevor man uns entdeckt.«
    »Wir nehmen den Weg zu den Folterkammern.« Vitus hatte sich entschieden. Selbst wenn es ihnen gelänge, die Wachen am Tor zu überwältigen, würden sie nicht weit kommen. Man würde sie jagen wie die Vogelfreien und früher oder später fassen. Nein, sie mussten ohne Aufsehen fliehen und möglichst viele Meilen zwischen sich und den Kerker bringen, ehe ihr Verschwinden bemerkt wurde. Nur so hatten sie eine Chance, den Häschern der Inquisition zu entgehen. So schnell ihre Beine sie trugen, liefen sie nach rechts den Gang entlang und machten Halt an der Tür, die normalerweise verschlossen war. Doch Nunu hatte sie jetzt natürlich offen gelassen.
    Sie schlüpften hindurch, den nächsten Gang entlang, an dessen Ende sie bei ihrer komfortablen Zweierzelle anlangten. Ohne zu verweilen, eilten sie weiter, die elf Treppenstufen zu den

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