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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Folterkammern hinab.

    Vitus betrat als Erster die Cella I. Man konnte die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Tastend orientierte er sich nach rechts, dorthin, wo die Fackel steckte. Er nahm sie herab und gab sie dem Magister. Dann schlug er mit Emilios Eisensteinen Feuer. Kurz darauf brannte sie.
    »Und nun hinunter zur Eisernen Jungfrau!«
    Dem Magister dämmerte langsam, was Vitus vorhatte:
    »Du willst doch nicht etwa ...?« Erschrocken hielt er inne.
    »Genau das will ich.« »Aber ...«
    »Es muss sein, Magister.«
    Inzwischen waren sie bei der Frau mit den toten Augen angekommen. Säuberlich aufgereiht lagen mehrere Ketten vor ihr. »Nunu hat gute Arbeit geleistet«, sagte Vitus. Wenn wir Martinez jetzt dabeihätten, wäre es ein Leichtes, ihn durch die Jungfrau verschwinden zu lassen.«
    »Ich fürchte, für uns wird es ungleich schwieriger«, seufzte der kleine Mann.
    »Wir werden sehen.« Vitus steckte die Fackel in die Wandhalterang. »Wir klappen die Jungfrau zunächst auf, anschließend drückst du auf den Hebel, um die Falltür zu öffnen.«
    »Ist gut.« Gemeinsam zerrten sie an den Griffen, bis die Hälften des Mantels aufschwangen und das Rauschen des Pajo unter ihnen anschwoll.
    »Jetzt der Hebel!«
    Mit einem knarrenden Laut gab die Falltür nach; das Rauschen unter ihnen verwandelte sich in ein Tosen.
    »Ganz so laut hatte ich's gar nicht in Erinnerung!«, rief der kleine Gelehrte gegen den Lärm an.
    Statt einer Antwort nahm Vitus erneut die Fackel, legte sich bäuchlings vor die Öffnung und hielt sie nach unten.
    »Absolut nichts!«, meldete er. »Setz dich mal auf meine Unterschenkel, ich brauche Halt, damit ich mit dem Oberkörper in das Loch tauchen kann.«
    »Bist du übergeschnappt?« Widerstrebend gehorchte der Magister. So weit es ging, leuchtete Vitus nach unten, doch auch dieser Versuch war umsonst.
    »Nichts zu sehen. Beim besten Willen nicht.« Vitus kam wieder hoch und stand auf. »Es hilft nichts, Magister, wir müssen da runterspringen.«
    »Du hast gut reden, ich kann nicht schwimmen, ich denke, wir sollten, aaaaahh ...!«
    Durch den plötzlichen Stoß, den Vitus ihm gegeben hatte, fiel der kleine Mann nach hinten, ruderte hilflos mit den Armen und verschwand in der Schwärze des Schachtes.
    »Verzeih mir, mein Freund«, rief Vitus hinter ihm her. Er lauschte angespannt. Da! Ein klatschendes Geräusch übertönte das Rauschen des Flusses. Schnell bekreuzigte er sich:
    »Herr, in Deine Hände befehle ich uns, gib uns die Kraft, die wir brauchen, die Zuversicht in das Kommende und die Gelassenheit, die aus dem Glauben an Dich entspringt.
    Er holte tief Luft und sprang hinterher.
    Wie eine feuchte Faust traf das Wasser Vitus ins Gesicht, als er mit dem Kopf voran aufschlug. Augenblicklich versank er in den Fluten, wurde wirbelnd herumgerissen und mit unwiderstehlicher Kraft fortgeschleudert. Prustend kam er wieder hoch. Er strampelte mit den Beinen und fühlte plötzlich Grund. Dem Himmel sei Dank!, schoss es ihm durch den Kopf. So wird der Magister nicht jämmerlich ertrinken! »Magister!«, schrie er, so laut er konnte, doch die Kraft seiner Stimme wirkte lächerlich im Vergleich zum Tosen des Flusses. Noch immer umgab ihn finsterste Dunkelheit. Er machte ein paar Schwimmbewegungen, um schneller mit der Strömung voranzukommen, doch die Eisenkette behinderte ihn stark. Plötzlich prallte er gegen eine steinerne Fläche und wurde durch die Kraft des Wassers wie angenagelt daran festgehalten. Er spürte, dass sich an dieser Stelle ein Seitenarm mit dem Fluss vereinigte. Es gelang ihm, sich zu befreien und sich weiter von der Strömung treiben zu lassen.
    Wo der Magister wohl sein mochte? Wieder rief er den Namen des Freundes, und wieder gab ihm nur der Fluss Antwort. Nach einer Weile schien es ihm, als würde das Wasser wärmer, es begann nach Fäkalien zu stinken, und die Strömung wurde schwächer. Brechreiz überfiel ihn, doch er kämpfte dagegen an, indem er sich ablenkte und abermals Schwimmbewegungen versuchte. Unversehens tauchten zwei Hände vor ihm auf, die das Wasser zerteilten - es waren seine eigenen. Jäh wurde ihm klar, dass diffuses Licht ihn umgab. Sein Blick ging nach vorn, wo in einiger Entfernung eine halbrunde Öffnung schimmerte. Das Ende des Wassertunnels! Blauer Himmel lockte dort.
    Er verstärkte seine Bemühungen und gelangte an die Öffnung, wo er sich mit beiden Händen am Rand des Felsens festhielt. Die Sonne schien so hell, dass er geblendet die Augen

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