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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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»
    ...und abgeschlachtet«, ergänzte der kleine Gelehrte, während er weiter mit der Hand in seinem Gesicht herumfuhrwerkte. »Was kann man bloß dagegen machen?«
    »Gegen Mückenstiche hilft am besten zerbröselte Efeurinde, die man mit etwas Essigwasser verreibt.«
    »Efeu, Efeu!«, brummte der Magister. »Ich sehe nur Schilf.«
    »Du hast Recht, machen wir, dass wir hier wegkommen.« Vitus erhob sich und spähte in alle Richtungen. Seine Kette klirrte. Ärgerlich bemühte er sich, die Arme ruhig zu halten. Nochmals sah er sich um. Nichts! Die einzigen Lebenszeichen waren die Laternen an einigen abgelegenen Häusern und das ausdauernde Zirpen der Zikaden.
    »Komm, die Luft ist rein!« Er ging voran. Irgendwo quakte ein Frosch. Ihre Füße sanken im sumpfigen Boden so weit ein, dass bei jedem Schritt ein hohles, schmatzendes Geräusch entstand. Endlich erreichten sie festen Untergrund.
    »Wir gehen am besten nah am Wasser«, schlug der Magister vor. »Jemand, der aus der Stadt herübersieht, kann unsere Umrisse vor dem Schilf kaum wahrnehmen.«
    »Gute Idee. So machen wir's.« Vitus schlich gebückt weiter,
    »Iiiiaah!«
    »Was war das?« Der Magister erstarrte wie Lots Weib in der Bibel.
    »Keine Ahnung.«
    »Iiiiaah!« Abermals erklang der Schrei. Gefolgt von einem kräftigen »Brrrh!«
    »Hört sich an wie ein Esel oder so etwas«, flüsterte Vitus. Seine Augen suchten das Gelände ab.
    »Da!« Wenige Schritte neben ihnen tauchte tatsächlich ein Grautier auf. »Iiiaah!«
    »Vielleicht hat der Esel getrunken und fühlte sich durch uns gestört?«, vermutete der Magister.
    »Der Esel ist ein Maultier«, stellte Vitus richtig. Er ging hin, um es zu beruhigen. »Das ist doch ...«, entfuhr es ihm.
    »Moment mal.« Er trat ganz dicht an das Tier heran und musterte es eingehend:
    »Kein Zweifel, es ist Isabella!«
    »Isabella? Wer in drei Teufels Namen ist Isabella?«
    »Das Maultier von Emilio, dem Fuhrmann, von dem ich dir erzählte.«
    »Donnerwetter, das nenne ich Zufall!«
    »Zufall?« Vitus streichelte Isabella sanft über die Nüstern. Das Maultier hob den Kopf und drückte mit dem Unterkiefer seine Hand herab. Dann schnupperte es nach einer Leckerei. »Ich habe leider nichts, mein Mädchen«, sagte er bedauernd. Wieder streichelte er das Maultier.
    »Womöglich ist es gar kein Zufall, dass du hier bist?«
    »Du redest in Rätseln«, sagte der Magister. »Vielleicht klärt sich bald alles auf. Isabella, geh nach Hause!« Das Tier hörte aufmerksam zu und spielte mit den Ohren.
    »Isabella, geh nach Hause!«, wiederholte Vitus. Dann, mit einem kräftigen Schnauben, setzte sich das Maultier in Bewegung. Es ging gemächlich in nordöstlicher Richtung auf den Stadtrand zu. Ab und zu schaute es sich um, wie um sich zu vergewissern, dass die beiden Menschen ihm folgten.
    »Dann wollen wir mal«, sagte Vitus.
    »Kaum zu glauben, Isabella scheint jedes Wort zu verstehen«, staunte der Magister.
    »Das tut sie.«
    Nach etwa einer viertel Meile verdichtete sich die Häuserfront vor ihnen, und der Weg wurde zu einer schmalen Gasse. Sie hielten sich strikt im Schatten des Maultiers, obwohl sie nirgendwo mehr Licht sahen. Alle Welt schien zu schlafen. »Hier ist der Hund begraben«, flüsterte der Magister, und wie um ihn Lügen zu strafen, erklang plötzlich ein Bellen. Vitus stieß den kleinen Mann an und bedeutete ihm, den Mund zu halten. Isabella war stehen geblieben und streckte den Kopf in die Höhe. Ihre Ohren spielten nervös.
    »Iiiiaah!«, rief das Maultier durchdringend. Dann schritt es zielstrebig auf einen Stall zu, der zu einem größeren Gebäude gehörte. Offenbar handelte es sich um eine Herberge, die von einem gewissen Pedro betrieben wurde, denn an der Fassade stand in windschiefen Buchstaben »Albergue de Pedro«. Hinter den Fenstern brannte Licht. Stimmen hallten herüber. »Ruhe!« keifte plötzlich eine Frau aus dem oberen Stockwerk eines Hauses. »Ruhe da unten, verdammt noch mal!« Sie trug eine schief sitzende Schlafmütze und schwenkte ein Nachtgeschirr in der Hand. Wütend kippte sie den Inhalt in einem Schwall nach unten. Vitus und der Magister sprangen zur Seite. Isabella, die etwas abbekommen hatte, tat einen Satz nach vorn.
    »Iiiiaah!«
    Die Frau verschwand vom Fenster. »Jetzt treiben sich hier nachts schon herrenlose Esel herum!«, schimpfte sie. Die beiden Flüchtigen hatte sie nicht bemerkt.

    »Halt!« Orantes packte Pater Cullus am Arm. »Ich glaube, Isabella hat eben

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