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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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ergriff seine linke Hand. »Ohne deine mutige Hilfe wären wir mit den Burschen nicht so leicht fertig geworden. Ich bin Arturo, Fechtmeister, Jongleur und Wortführer einer Truppe, die sich Los artistas unicos nennt.«
    »Gern geschehen.« Joaquin war plötzlich froh, dass alles vorbei war. Es hätte auch anders ausgehen können, das wusste er aus zahllosen Schlägereien, die er als Soldat miterlebt hatte. »Ich heiße Joaquin.«
    »Und ich bin Vitus«, erklärte der Blonde. »Ich danke dir ebenfalls.«
    »Wirt!«, rief Arturo. »Bringe jedem in der Gaststube einen Krug Wein, die Rechnung geht auf die Artistas unicos, die beste Gauklertruppe Spaniens, die seit heute hier im schönen Torrelavega gastiert, mit einem unglaublichen, sensationellen, nie da gewesenen Programm!« Ein bisschen Reklame konnte bei dieser Gelegenheit nicht schaden.
    In den Wirt, der wie gelähmt hinter seinem Tresen gestanden hatte, kam Bewegung. Zustimmende Rufe wurden laut, die Zecher drängten sich heran, gratulierten zu der mutigen Tat und wussten tausend Erklärungen, warum gerade sie nicht hatten eingreifen können.
    »Jemand muss sich um den Zwerg kümmern!«, fiel Vitus plötzlich ein. Er wandte sich der Mauer zu, an der das Männchen traktiert worden war. Doch der Winzling war verschwunden.
    »Weiß jemand, wo der Zwerg ist?«, fragte Vitus laut.
    »Er muss behandelt werden.«
    Niemand hatte das Männchen gesehen.
    »Er trug so einen merkwürdigen roten Holzkasten mit Fläschchen und Medikamenten darin, und er holte daraus eine Wärmkugel hervor«, erinnerte sich Joaquin.
    »Vielleicht liegt der Krempel noch irgendwo herum und gibt Auskunft über ihn.« Joaquin begann Tische und Boden abzusuchen.
    »Wärmkugel?«, fragte Vitus.
    »Ja, ein übel riechender, mit Hühnerhaut überzogener Ball, den man gegen Magenbeschwerden schlucken soll.«
    Auch der Holzkasten und die Wärmkugel waren fort.
    »Nun ja.« Vitus runzelte die Stirn. »Ehrlich gesagt empfinde ich für den Zwerg kein großes Mitleid, trotzdem hätte ich mir seine Verletzungen ansehen müssen.«
    »Jetzt lasst uns erst mal einen Schluck trinken.« Arturo zog Vitus und Joaquin an den Schanktisch.
    »Jawohl!« Der Glasschleifer erhob mit der Linken seinen Becher und blickte sich um, bis er die Aufmerksamkeit aller auf sich gelenkt hatte. Dann stand er auf:
    »Ich trinke auf Seine Hoheit, den Herzog von Alba!«, rief er mit tönender Stimme - und brach unvermittelt ab. Die Macht der Gewohnheit hatte ihm einen Streich gespielt. »Ali ..., also, tja, und natürlich auf meine Freunde Vitus und Arturo, die edlen Spender!«
    »Auf Vitus und Arturo!«, riefen die Leute und widmeten sich ihren Weinbechern. Ihr Interesse an den beiden Rettern war damit erloschen.
    »Und? Was treibst du so, Joaquin, wenn du nicht gerade rüpelhafte Burschen mit deinen Greifbacken streichelst?« Arturo nahm einen tiefen Schluck.
    Der Glasschleifer erzählte ausführlich, was er oben im Holländischen erlebt hatte und wie er zu dem Beruf des Glasschleifers gekommen war.
    »Neben den Linsen verkaufe ich noch geschliffene Steine«, fuhr er nicht ohne Stolz fort. »Hier!« Er kramte in seinem Bündel und holte ein paar Exemplare hervor. Jedes war einzeln in einem Kästchen verpackt.
    »Die sind hübsch!«, staunte Vitus. »Darf man sie anfassen?«
    »Selbstverständlich.«
    Auf dem Tisch lagen Steine in unterschiedlichsten Farben und Größen. Die meisten jedoch wiesen Rottöne auf.
    »Viele deiner Steine sind rot, warum?«, fragte Vitus.
    »Nun«, Joaquin schob seine Greifbacken über den Becherhenkel und schraubte sie zu, dann hob er das Gefäß
    an und trank. Staunend sahen seine neuen Freunde ihm dabei zu. »Hin und wieder muss ich ein bisschen üben«, lächelte er, »aber zu deiner Frage, Vitus: Ihr seid Gaukler und Spielleute, deshalb muss ich euch nicht groß erklären, dass erst die Geschichte, die man zu einem Gegenstand erzählt, diesen zu etwas Besonderem macht.«
    Abermals hob er den Becher an. »Seht, dies ist ein ganz normales Trinkgefäß. Aber nur so lange, bis ich euch verrate, dass einst Seine Majestät Karl V. persönlich daraus getrunken hat, als er hier auf der Durchreise war.«
    »Das hat er natürlich nicht«, stellte Vitus grinsend fest.
    »Du sagst es.«
    »Aber was hat das mit der Farbe deiner Steine zu tun?«
    Arturo wog eines der Exemplare abschätzend in der Hand.
    »Bei meinen Steinen ist es genauso. Auch zu ihnen gibt es eine Geschichte: Erst breite ich sie auf einem schwarzen

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