Der Wanderchirurg
außerdem zum Schleifen von Gestein, sofern es sich lohnte und das Material schöne Farben oder Strukturen aufwies. Beides, Linsen und Steine, verkaufte er mit unterschiedlichem Erfolg auf seinem Weg in den Süden.
»Gickgack, Schwerthand ab! Hast ja noch den linken Greifling.« Eine fistelnde Stimme sprach Joaquin von der Seite an. Sie gehörte zu einem krummen Männchen in einem himmelblauen Gewand. Die Äuglein des Kleinen blitzten, während er sich ungefragt setzte. Sorgfältig legte er dabei einen roten Holzkasten ab, den er zuvor an einem Riemen um den Hals getragen hatte.
»Haste mal'n Finnchen Funkel?« Plötzlich hielt der Gnom eine Tasse in der Hand und schielte begehrlich auf Joaquins Weinkrug.
Der Glasschleifer lehnte sich abschätzend zurück. Dieser befremdliche Zeitgenosse war nicht der erste komische Vogel, dem er auf seiner Reise begegnete. Er musterte den Zwerg eingehend: klein, um nicht zu sagen winzig, bucklig, hässlich, mit einem fischähnlichen Mündchen, das sich des Rotwelschen bediente. Warum spricht der Winzling so kariert?, fragte er sich. Zwei Möglichkeiten kamen nach seiner Erfahrung in Betracht: Entweder der Kleine wollte sich ihm als Gleichgesinnter zu erkennen geben, oder er wollte ihn verunsichern. Warte, Bürschchen!, dachte er, das werde ich gleich herausfinden. Zuerst einmal will ich so tun, als verstünde ich nichts. Dann sehen wir weiter. »Ich weiß nicht, was du meinst!«, sagte er laut.
»Obde 'n bisschen Wein erübrigen kannst, Kamerad«, fistelte der Zwerg. Er hob die Tasse so aufdringlich nah unter Joaquins Nase, dass der daraus hätte trinken können.
»Du bist der fünfte oder sechste, der bei mir mithalten will«, log Joaquin ungeniert. Der Zwerg konnte das nicht nachprüfen, denn er war gerade erst gekommen.
»Wenn das so weitergeht, halte ich bald den ganzen Laden frei.«
»Papperlapp! Der Ohrhansel is ja noch fast moll.«
»Ohrhansel?«
»Der Krug, Stürchenschnalzer.«
»Und wenn schon.« Joaquin zog demonstrativ an seinem Hosenträger und wölbte den Leib nach vorn.
»Habe Bauchschmerzen, brauche den Wein als Medizin dagegen.«
»Der Satterich übelt? Musst halt das Hintergeschirr abspannen, 's knautscht doch nur.«
»Kommt nicht in Frage. Außerdem ist mir kalt im Magen, da kommt ein wärmender Trank gerade recht.«
Der Glasschleifer fragte sich, was der Zwerg ihm diesmal antworten würde.
»Nebbich! Wenn der Satterich schibbert, musste es mit ner Wärmkugel versuchen.« Eifrig nestelte der Gnom in seinem Holzkasten, nahm ein paar Medizinfläschchen heraus und förderte darunter ein kleines, ballähnliches Gebilde zutage.
»Was ist das?« Joaquin schielte misstrauisch auf die Kugel. Sie hatte eine weißliche Farbe, die Oberfläche erinnerte an großporige Haut.
»Begneißde des nich? 's is 'ne Wärmkugel, die musste runterschlucken, un schon haste de Witze wieder im Speisfang.«
»De Witze im Speisfang?«
»De Wärme im Magen, Strohputzer! 's gibt nix Bessres gegen Leibschmerzen als Wärme durch meine Wärmkugeln. Nur ein Realchen der Rundling«, die Stimme des Gnoms war jetzt zuckersüß, »und schon isser dein.«
»Gib mal her.« Joaquin nahm ihm das Wundermittel aus der Hand. Er war überraschend schwer. Der Glasschleifer roch daran und verzog die Nase. Das Ding stank penetrant nach abgestandenem Fleisch. Und irgendwie nach Haut. Plötzlich wusste er, was er in der Hand hielt: Es war eine von Hühnerhaut umspannte Kugel. Gott allein wusste, was darin war.
»Behalt deinen Schweinkram, Kreipel!«, sagte Joaquin laut, wobei er bewusst den rotwelschen Ausdruck für Zwerg benutzte. Er wusste jetzt, dass der Winzling ihn ausnehmen wollte.
»Wiewas? Was tarrt das zinken?«
»Schäl den Mondschein, Fischgeist! Willst mich betuppen, mich anheulen, was? Schaufel dich fort!«
Joaquin war ebenfalls in der Lage, sich als Himmelsfechter auszudrücken. Sprache, das war auch seine Erfahrung, konnte ein gutes Mittel zum Zweck sein, selbst wenn es nur darum ging, dem Wirt eine Mahlzeit aus dem Kreuz zu leiern. Genau deshalb hatte er vorhin so vom Leder gezogen, und wenn er von diesem Winzling nicht unterbrochen worden wäre, hätte es wahrscheinlich auch geklappt.
Der Zwerg glotzte ihn an, sein Mündchen bewegte sich kaulquappengleich, während er nach Worten suchte. Dann, jählings, weiteten sich seine Äuglein vor Entsetzen.
»Da ist die bucklige Sau!« Drei kräftige Burschen waren in die Taverne gestürmt und schossen auf den Zwerg zu.
»Hilf
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