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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Warum auch immer dieser Knirps so spät aufgetaucht war, ihm musste geholfen werden.
    »Ich schlage vor, den Neuen als Hilfskoch einzusetzen, Capitän, die Wachen haben sich schon beschwert, dass Leon, der Koch, allein keine warme Mahlzeit zustande kriegt.«
    »Wieso das?« Najera, der glaubte, für den Schiffsproviant ein Vermögen ausgegeben zu haben, witterte erneut Unrat. »Weil neben dem eigentlichen Kochen noch viele andere Arbeiten anfallen, Capitan: Entzünden und Unterhalten des Feuers, Trinkwasser aus den Fässern im Laderaum heraufholen, Tiere schlachten, Fleisch einsalzen, Trockenfisch wässern, Erbsen puhlen, Bohnen schnippeln, Hartbrot von Maden befreien, Essen ausgeben, Kessel und Kellen reinigen, Asche entfernen ...»
    »Gut, gut.« Najera war beruhigt. Solange es nicht an seinen Geldsäckel ging, war ihm die Arbeit an der Feuerstelle egal. »Don Alfonso, seid so gut, und begleitet den neuen, äh ... Mann zum Koch, er soll ihn einweisen. Und nun entschuldigt mich, ich habe zu tun.«
    Er beugte sich wieder über die Karte. »Wo waren wir stehen geblieben, Steuermann?«
    »Beim Anschleichen im Golf von Guinea.«

Der Navigator Fernandez

    »Ich werde meine Cargada nicht im Stich lassen, werde mit ihr die letzte Fahrt antreten.«
    W ie geht es dem Mann?«, fragte Fernandez. Der Steuermann stand an der hinteren Backsdeckswand, nahe der Feuerstelle, und hob, wie es seine Art war, den Kopf, um Wind und Wetter zu prüfen. Die Galeone war in den letzten zwei Wochen die gesamte Westküste der Iberischen Halbinsel hinabgesegelt und stand mittlerweile auf der Höhe von Gibraltar. Der Wind hatte sich, was zu dieser Jahreszeit ungewöhnlich war, mehr als Freund denn als Feind erwiesen, weil er beständig aus Nordwest bis Nordost blies, aus Richtungen also, die dem südlichen Kurs der großen Galeone sehr zustatten kamen. »Er hat einen gebrochenen Mittelfinger«, antwortete Vitus, der gerade die Behandlung eines kleinen Franzosen beendete, dessen Nase an die Farbe blühenden Mohns erinnerte. »Henri ist in den nächsten Wochen nur bedingt diensttauglich.« Vitus schnitt mit der Schere den Verband ab, den er um den verletzten Finger gelegt hatte. Der Magister nahm den verbliebenen Stoff entgegen und verstaute ihn sorgfältig im Instrumentenkoffer. Man würde den Rest bei anderer Gelegenheit noch gebrauchen können.
    Die Versorgung eines Bruchs war im Grunde
    genommen so einfach, dass jeder sie vornehmen konnte: Man schiente den Finger, indem man ihn fest mit dem daneben liegenden verband - so stützte das eine Glied das andere. Man musste nur aufpassen, dass der Stoff fest, aber nicht zu fest, saß. Fernandez runzelte die Stirn. Wieder ein Mann weniger für die Bedienung der Segel. Henri konnte, wenn überhaupt, nur noch für leichtere Arbeiten eingesetzt werden, doch das Problem war, dass es auf einem seegehenden Schiff keine leichten Arbeiten gab. Er würde den kleinen Franzosen bestenfalls als Läufer gebrauchen können, vielleicht auch als Hilfe für den Segelmacher, dem er das Tuch halten konnte, oder als Ausguck. Bei schwerem Wetter jedoch galt die alte Regel: »Eine Hand für den Mann, eine Hand für das Schifft, und spätestens dann würde Henri ein Totalausfall sein.
    »Ich werde dich fürs Erste als Ausguck einsetzen«, entschied Fernandez. »Ab mit dir in den Fockmast. Aus dem Mars meldest du mir jedes Segel, das sich am Horizont zeigt.«
    »Oui, oui!« Henris leuchtende Nase bewegte sich eifrig auf und nieder. Dann fiel dem frisch gebackenen Ausguck ein, dass seine Antwort unvorschriftsmäßig ausgefallen war. »Jawohl, Steuermann!«
    »Dann los.« Fernandez wandte sich lächelnd an Vitus.
    »Habt Ihr Lust, mich aufs Kommandantendeck zu begleiten? Ich muss dort die Höhe nehmen, um unsere Position zu bestimmen. Natürlich seid auch Ihr, Magister Garcia, dazu eingeladen.«
    »Mit Vergnügen!« Die Antwort der beiden kam wie aus einem Munde. »Gut, dann folgt mir.«
    Am achteren Niedergang des Oberdecks angelangt, grüßte Fernandez höflich hinauf und fragte: »Drei Mann auf Kommandantendeck, Capitan?«
    Najera zögerte kurz, dann schnarrte er: »Genehmigt.«
    Die Aussicht von der Heckreling, dem höchsten Punkt der Galeone, war phantastisch. Man stand wie auf einem Hügel und blickte zu Tal - alles vor ihnen wirkte spielzeughaft klein. Die Männer der Wache, durch das günstige Wetter untätig herumstehend, bewegten sich unter ihnen wie Puppen. An Backbord und Steuerbord rauschte die See vorbei: lange,

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