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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Vitus schaute sich um. Niemand an Bord schien sich für sie zu interessieren. Beherzt griff er zu und stützte den kleinen Körper, der über das Dollbord kraxelte und vor seinen Füßen auf dem Deck landete. Die Gestalt richtete sich auf. »Danke, Vitus«, sagte sie mit fistelnder Stimme, zupfte sich das hellblaue Gewand zurecht und schaute hoch. Es war der Zwerg.
    »Du wieder?« Vitus trat einen Schritt zurück. »Wie kommst du überhaupt aufs Schiff?«
    »Genau wie du.« Das Männchen blickte treuherzig.
    »Hab mich unter den Haufen Benusselter geschmuggelt, die Battista an Bord geholt hat. War die letzten Wochen, seit der, äh ... Sache im Casa de la Cruce immer in deiner Näh, hab dich nie aus den Glotzern gelassen.«
    »Du bist das also!«, platzte der Magister heraus. »Du bist der Zwerg, der Vitus in den Kerker gebracht hat.«
    »Wui, wui.« Der Kleine blickte zu Boden, »'s tut mir Leid, wirklich Leid, 's schwör ich bei der heiligen Marie.«
    »Und was verschafft uns die Ehre?«, fragte Vitus reserviert. »Wollt's wieder quittmachen.« Der Kleine starrte noch immer auf die Decksplanken. »Hast mich gerettet im Casa de la Cruce, wo ich dich doch in die Krax gelotst hab, 's is mir noch nie passiert, dass einer, den ich, den ich ... dass so einer mir hilft, un da dacht ich, da wollt ich ...«
    Das Männchen brach ab, gab sich einen Ruck und blickte Vitus in die Augen. »Hab's wirklich quittmachen wollen un will's auch jetzt noch!«
    »Hm. Könnte es sein, dass du, sagen wir, »gute Beziehungen zu Schröpfkugeln und Senfkörnern hast?«
    »Ja, 's war ich.« Die Äuglein des Winzlings blitzten im fahlen Mondlicht. »Hab's besorgt als ich spitzgekriegt hatt, dass du's brauchst, 's war gar nich leicht, das kannste holmen.«
    »Das glaub ich dir gern.«
    »Auch im Ingles war ich. Wollt dich noch warnen vor dem Gesöff, doch du hattest's schon intus, da bin ich mit an Bord un hab mich versteckt.«
    »Da denkt man an nichts Böses und wird auf Schritt und Tritt verfolgt«, wunderte sich der Magister. Er schaute Vitus ratlos an. »Was machen wir jetzt mit ihm?«
    »Das frage ich mich auch!«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie fuhren herum und blickten in das triumphierende Gesicht von Don Alfonso. Der Erste Offizier hatte sich herangeschlichen und genoss sichtlich die Situation. »Wir haben zwar Männer unterschiedlichster Statur an Bord, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ein Zwerg dabei war.«
    »Wie meint Ihr das?« Der Magister hielt es für das Beste, sich erst einmal dumm zu stellen.
    »So, wie ich es sage.« Die Stimme von Don Alfonso wurde dienstlich. »Es gibt keinen Zwerg, der zur Besatzung gehört, also ist dieser Knirps unbefugt an Bord gekommen und damit ein blinder Passagier. Ich hoffe, er kann seine Reise bezahlen, anderenfalls wandert er hinter Gitter.«
    »Der Mann ist genau wie der Magister Garcia und meine Wenigkeit an Bord gekommen, Senor«, schaltete sich Vitus ein, »nämlich in diesem Boot.« Er schlug auf die Bordwand neben sich.
    »Und das unter dem eindeutigen Tatbestand der Freiheitsberaubung«, ergänzte der Magister. Sein Gesicht verriet, wie sehr ihm der Gesprächsverlauf gefiel.
    »So, tja.« Don Alfonso wurmte es, dass er darauf keine passende Antwort hatte. Als Initiator von Battistas Presskommando wusste er natürlich um das gewaltsame Anbordbringen der letzten dreizehn Männer - und um die Tatsache, dass Najera höchst unzufrieden mit der geringen Ausbeute war. Dazu kam noch diese leidige Geschichte mit dem fehlenden vierzehnten Mann, die immer noch der Aufklärung bedurfte ... Ein Gedanke keimte in ihm auf, formte sich und hob seine Laune wieder:
    »Ihr habt natürlich Recht, Senores«, sagte er, und seine Stimme klang plötzlich honigsüß, »bei dem Mann handelt es sich keineswegs um einen blinden Passagier.« Er beugte sich nach unten, wo der Zwerg unsicher von einem Bein aufs andere trat. »Wie ist dein Name?«
    »Ich hab ne Menge Namen. Pedro oder Franco. Oder Jaime oder Juan oder sonst wie. Kannst dir einen ausklauben.«
    »Ich denke nicht daran.« Don Alfonso war so begeistert von seiner Idee, dass er die unangemessene Antwort überging. »Ich werde dich Enano nennen, Enano wie Zwerg.« Der Winzling, der jetzt Enano hieß, nickte ergeben. »Folge mir!« Mit raumgreifenden Schritten ging der Erste nach achtern, zielstrebig in Richtung Kapitänskajüte.
    Najera deutete auf die Karte vor sich, auf der die Umrisse West-Afrikas festgehalten waren. »Hier, Steuermann,

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