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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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Sorge.«
    Noch schwieriger wurden die Diskussionen darüber, wie eine Gesellschaft zu schützen war, wenn es um Bürger ging, die noch gar nicht geboren waren. Dies war das Zeitalter von Darwin und Pasteur, und die konzeptionelle Mischung aus Evolution und Infektion führte zu harten Urteilen, wenn Täter dem Gemeinwohl schadeten. Im Jahr 1898, zur selben Zeit, als Lacassagne und seine Kollegen Vacher begutachteten, vertrat der Nervenarzt und Autor Maurice de Fleury in seinem Buch Âme du criminel die Ansicht, geisteskranke Kriminelle sollten zum Wohle der Menschheit aus dem Zuchtpool entfernt werden:
    Wir sorgen für sie, wir halten sie in Käfigen, wir bewahren sie vor dem Tod. Aus welchem Grund, allmächtiger Gott?
    Ist es wirklich human, dass wir diesen Ungeheuern, diesen Kreaturen der Dunkelheit, diesen albtraumhaften Larven zu atmen erlauben? Glauben Sie nicht, dass es frömmer wäre, sie zu töten, diese Hässlichkeit und Vernunftlosigkeit zu beseitigen, die nicht edel gemacht werden kann, nicht einmal durch Leiden? Ich halte es für denkbar, diese unheilbaren Wesen auf legale Weise zu eliminieren. Tod ohne Leiden, fast tröstlich, eine Erleichterung: ein sanfter Tod, kaum traurig zu nennen, die Vernichtung des Hässlichen, die Verringerung des unerträglichen geheuchelten Entsetzens, des grundlos Bösen.
    All diese Überlegungen lasteten schwer auf Lacassagne und seinen Kollegen, als sie Vacher untersuchten. Kompliziert wurde der Fall noch dadurch, dass die beiden Nervenärzte, die sich am intensivsten mit Vacher beschäftigt hatten, nämlich die Direktoren der Anstalten Dole und Saint-Robert, zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen waren: Der Erste hielt Vacher für geisteskrank, der Zweite erklärte ihn für geheilt. Als die Zeitungen Vachers Ankunft in Lyon ankündigten, waren sie sich dieser Situation durchaus bewusst. Ein Kolumnist des Petit Parisien warnte vor der Gefahr, in der sich die Gesellschaft befinden würde, falls Lacassagne und seine Kollegen Vacher für schuldunfähig erklärten. »Ist er verrückt? Das ist die wichtigste Frage für den wissenschaftlichen Nervenarzt … Und wenn sie mit Ja beantwortet wird, wie alle vermuten, was sollen wir dann mit ihm anfangen? Ihn wieder in eine Heilanstalt stecken, damit er irgendwann als geheilt gilt und mit seinem Tun fortfahren darf?«
    Albert Sarraut drückte eine andere, aber ebenso große Besorgnis aus: Was sagte es über die Gesellschaft aus, wenn dieses »wilde Tier mit menschlichem Antlitz« so gesund war wie jeder andere Bürger auch? »Ja, Vacher ist ein Ungeheuer, das widerlichste und schrecklichste aller Ungeheuer. Aber ist er sich dessen bewusst, was er tut, ist er bei klarem Verstand? Zu Ehren der Menschheit, der er zumindest äußerlich ähnelt, müssen wir das Gegenteil hoffen.«
    Ein paar Tage nach Vachers Ankunft in Lyon besuchten ihn Lacassagne und zwei andere Experten. Sie hatten vereinbart, den Fall in drei Bereiche aufzuteilen: Lacassagne, der Leiter der Gruppe, sollte Vachers Verbrechen begutachten, Pierret würde seine Erbanlagen und seine Familiengeschichte erforschen, und Rebatel sollte sein Verhalten im Gefängnis prüfen. Vacher hatte sich nach der Zugfahrt wieder beruhigt, und als die drei Männer eintrafen, sagte er, dass er sich freue, sie zu sehen, und sich im Großen und Ganzen wohlfühle. Sie plauderten eine Stunde lang freundlich miteinander. Vacher beklagte sich lediglich darüber, dass andere Insassen ihn beim Spaziergang im Hof ständig mit Fragen belästigten.
    Als Erstes mussten die Experten herausfinden, ob die Kugeln, die sich Vacher in den Kopf geschossen hatte, in einen Hirnbereich eingedrungen waren, der das Verhalten beeinflusste. Lacassagne bat daher den bekannten Röntgenologen Dr. Destot, eine Aufnahme von Vachers Kopf zu machen, um die Lage des Projektils zu bestimmen. Dies war einer der ersten medizinischen Einsätze dieser neuen Technik in der Geschichte. Im Jahr 1896 war sie bereits im englischen Nottingham in einem Zivilrechtsfall benutzt worden. Damals war eine Tänzerin im Theater einige Stufen hinuntergestürzt und hatte sich einen Knöchel gebrochen. Die Theaterbesitzer behaupteten, sie übertreibe die Verletzung, aber diese Argumentation brach zusammen, als ein Röntgenbild bewies, dass der Knochen tatsächlich gebrochen war.
    Vacher ließ die fünfundvierzigminütige Prozedur über sich ergehen. Dabei scherzte er mit dem Assistenten über seine Dienstzeit bei der Armee und fragte ihn, ob er in

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