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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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enthielten die kriminologischen Handbücher mehrerer Länder Warnungen vor vorgetäuschter Geisteskrankheit und Hinweise darauf, wie man die List durchschauen konnte. 1892 empfahl das Manual of Medical Jurisprudence , das britische und amerikanische Kriminalbeamte benutzten, den Ermittlern, auf Übertreibungen zu achten. »Bei echter Geisteskrankheit gibt der Betroffene nicht zu, dass er geisteskrank ist; nur wenn er simuliert, versucht er mit allen Mitteln, andere glauben zu machen, er sei verrückt.« Ermittler deckten viele vorgetäuschte Verhaltensweisen auf, zum Beispiel Taubstummheit, Lähmung, Gedächtnisschwund, Manie, Epilepsie, Melancholie, Delirium, auch Hungerstreiks und Selbstmordversuche. Manie kam dabei am häufigsten vor, weil »Laien glauben, die Symptome der Geisteskrankheit seien Gewalttätigkeit sowie lautes und unzusammenhängendes Sprechen«.
    Hans Gross, der österreichische Kriminologe, empfahl den Ermittlern, die Aussagen der Gefangenen sorgfältig zu prüfen. »Manche sind wohlüberlegt und schlau, andere sind ungeschickt und dumm.« Dieser Gegensatz, sagte er, sei ein Zeichen für Simulation. Er riet den Polizeibeamten auch dringend, die Augen des Verdächtigen zu beobachten:
    Kein intelligenter Mensch hat die Augen eines Idioten, und kein Idiot hat intelligente Augen. Die gesamte Physiognomie, die Haltung, die Gesten mögen täuschen, die Augen nie; und wer darin geübt ist, die Augen zu beobachten, wird nie zum Narren gehalten … Denken Sie auch daran, dass ein Schwindler, wenn er glaubt, unbeobachtet zu sein, dem Ermittler oft einen schnellen, prüfenden Blick zuwirft, um zu sehen, ob er ihm glaubt oder nicht.«
    In Fachzeitschriften erschienen zahlreiche warnende Berichte. Der Wiener Psychiater Richard von Krafft-Ebing schrieb etwa über einen Häftling, der eine ehemalige Geliebte mit einem Taschenmesser getötet hatte und dann Geisteskrankheit simulierte, indem er nicht mehr sprach, nicht mehr aß und den Kopf an die Wand schlug. Als später herauskam, dass er insgeheim etwas aß, tief schlief und seine Selbstmisshandlung nur vortäuschte, wurde er verurteilt und hingerichtet.
    Garnier schrieb einen langen Artikel über Fälle von vorgetäuschter Geisteskrankheit und seine Methoden der Entlarvung. Ein Ganove, ein fünfundzwanzigjähriger Gewohnheitsdieb namens Troyé, stellte sich krank, nachdem er erfahren hatte, dass er in eine Gefängniskolonie deportiert werden sollte. Tagelang saß er schweigend und zusammengekauert in einer Ecke seiner Zelle, und seine linke Hand zitterte. Alle Versuche, ihn aus seiner Erstarrung zu locken, scheiterten. Eines Tages bemerkte Garnier gegenüber dem Gefangenen, dass jetzt seine rechte Hand zittere. Da er die Symptome nicht glaubhaft hatte simulieren können, gestand Troyé schließlich den Täuschungsversuch. Ein anderer Häftling täuschte Halluzinationen vor und hörte auf, zu sprechen und zu essen. Nach einigen Besuchen sagte Garnier laut zu einem Kollegen, dass er dieses Syndrom kenne und daher mit einer baldigen manischen Phase rechne. Als der Häftling am nächsten Tag tatsächlich die neuen Symptome zeigte, wusste Garnier, dass die Geisteskrankheit nur simuliert war. Ein dritter Gefangener, der gehungert und den Kopf an die Wand geschlagen hatte, hörte nach drei Tagen einfach von selbst damit auf. »Es ist doch verständlich, dass ich keine Lust habe, das Land zu verlassen und unter Wilden zu leben«, erklärte er.
    Garniers schwierigster Fall war ein dreißigjähriger Mann namens Paul-Joseph Cavène. Dieser hatte einer ehemaligen Geliebten mehrere Drohbriefe geschrieben, weil sie einen anderen Mann geheiratet hatte. Nach einem Überfall auf ihren Ehemann wurde er dann verhaftet. Nervenärzte, die Cavène psychologisch untersuchten, wiesen auf seine turbulente Jugend, seine gestörte Entwicklung und seinen Größenwahn hin: Er stieß »leere und bedeutungslose Sätze in lächerlich emphatischem Ton« aus. Letztlich kamen sie zu dem Schluss, dass Cavène zwar psychisch gestört, aber nicht schuldunfähig sei. Das Gericht verurteilte ihn daraufhin zu acht Tagen Gefängnis.
    Kurz nach seiner Entlassung schüttete Cavène seiner früheren Geliebten Säure ins Gesicht und versuchte, ihr mit den Fingern die Augen auszustechen. Nach seiner zweiten Verhaftung stellten Nervenärzte fest, dass seine Symptome sich verschlimmert hatten. Er halluzinierte über sein Opfer und behauptete, ihr perfektes Gesicht im Traum zu sehen. Als man ihn darauf

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