Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
in der Art.«
Der Mann nickte knapp. »Also gut. Aber keine krummen Sachen, verstanden?«
Gaia trat näher.
»Wie ist dein Name, Bruder?«
Bislang stellte sich alles an ihrem Gegenüber mittelmäßig dar: seine Größe, sein Alter, sein braunes Haar. Wenn für seine Intelligenz das Gleiche galt, durfte sie seine Gefährlichkeit nicht unterschätzen. Leuten, die stur ihre Befehle befolgten, hatte sie noch nie getraut.
»Sergeant Burke.« Er nickte seinen Männern zu. »Gehen wir.«
Gaia warf noch einen letzten Blick zurück zu ihren Leuten. Dann nahmen die Soldaten sie und die Chardobrüder in die Mitte und eskortierten sie durch Wharfton. Die ungepflasterten Straßen und die kleinen, vertrockneten Gärten lagen verlassen.
»Es sieht hier nicht immer so aus«, sagte Gaia leise zu Peter und Will. »Normalerweise sind auch mehr Menschen unterwegs.« Noch war sie sich nicht sicher, ob sich die Bewohner Wharftons der Soldaten wegen versteckten oder sich seit den Unruhen einfach vieles geändert hatte, aber die Stille behagte ihr nicht.
Auf dem Marktplatz vor dem Tvaltar stand eine Handvoll Leute. Beim Anblick der Soldaten verstummten sie, wichen aber nicht zurück. Wenigstens ist Wharfton nicht komplett zur Geisterstadt geworden, dachte sie. Ein Junge rannte an ihnen vorbei in Richtung der östlichen Sektoren. Im Obergeschoss eines Hauses öffnete sich ein Fensterladen mit lautem Quietschen, und jemand spähte durch die Holzlamellen zu ihnen herab.
Sie folgten der ansteigenden Straße weiter zum Südtor, dessen hohe Flügel offenstanden wie ein klaffendes Maul. Vom Wehrgang auf der Mauer waren die Augen der Wachmannschaft auf sie gerichtet, und beim Anblick all der Soldaten und ihrer Gewehre verließ Gaia beinahe der Mut.
»Schau«, sagte da Will und tippte an ihren Arm.
Auf den Dächern Wharftons, geduckt hinter Schornsteinen und krummen Ofenrohren, verbargen sich mehrere junge Männer. Manche hatten Steine in der Hand, einer hielt eine Schleuder und nickte Gaia auffordernd zu. Es war klar, dass er die Vergeltung der Wachen nicht fürchtete.
»Sie würden uns helfen«, sagte Will. »Wir können immer noch fliehen.«
Sergeant Burke stieß sie voran. »Weitergehen!«
Auf dem nächsten Dach sah Gaia Derek Vlatir, Leons leiblichen Vater. Er hielt ein Messer in der Hand, und auf dem Schornstein neben ihm zeichneten sich mehrere weitere Messer gegen den Himmel ab. Seine Schultern und die aufrechte Haltung kamen ihr mittlerweile seltsam vertraut vor – sie erinnerten sie an Leon. Ein Stück hinter ihm stand eine jüngere Frau mit rosigen Wangen, die ebenfalls eine Schleuder trug.
»Gib einfach den Befehl, Gaia Stone!«, rief Derek furchtlos.
Ein paar der Wachen auf der Mauer lachten.
Doch Gaia sorgte sich um sie – so verwundbar waren die Rebellen. »Nicht, Derek!«, rief sie zurück.
Sergeant Burke stieß sie abermals voran.
Im nächsten Moment trat sie auch schon unter dem Schatten des Torbogens hindurch in die Enklave. Dann ging alles plötzlich rasend schnell: Die Torflügel fielen zu, Gaia wirbelte herum und sah, dass Peter, Will und die Hälfte der Soldaten ausgesperrt waren.
Ehe sie protestieren konnte, hatten die groben Hände Sergeant Burkes sie gepackt und hoben sie fast in die Luft. Von der anderen Seite des massiven Tors hörte sie noch Peters und Wills Stimmen, dann verstummten auch diese. Ein halbes Dutzend Wachmänner kam die Stufen der Mauer herabgerannt und umzingelte sie.
»Durchsuch sie, Jones«, sagte Sergeant Burke.
Mit anzüglichem Grinsen streckte der große Mann mit der Knollennase seine Hände nach ihr aus.
»Wag es nicht, mich anzufassen!«, sagte Gaia.
Doch Sergeant Burke drehte ihr den Arm auf den Rücken. Sie kämpfte gegen ihn an, schaffte es aber nicht, sich loszureißen. Von ihrer letzten Gefangenschaft in der Enklave erinnerte sie sich noch gut an Jones: Damals hatte er sie zur Bastion eskortiert. Nun von ihm ohne jeden Respekt betatscht zu werden, drehte ihr den Magen um. Er tastete sie ab, zog ihr den Dolch aus dem Stiefel und warf ihn den anderen vor die Füße.
»Sie ist sauber«, sagte er dann.
Der Sergeant löste seinen Griff und Gaia wirbelte herum. Sie konnte ihren Zorn kaum noch im Zaum halten. »Du dreckiger Lügner«, sagte sie. »Ich bin nicht mehr irgendein kleines Wharftonmädchen ohne Freunde – ich bin die Matrarch New Sylums, und so hast du mich auch zu behandeln!«
»Red dir nichts ein«, erwiderte der Sergeant. »Du bist eine Verräterin und
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