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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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und biss sich auf die Lippen. »Keine Angst«, sagte sie dann. »Ich rede mit meiner Mutter.«
    »Nein, bitte!«, rief Gaia und setzte sich wieder zu Wehr. »Lass das nicht zu!«
    Doch die Wachen hoben sie einfach hoch und trugen sie ins Gefängnis.

7 Das Trägerinstitut
    Sergeant Burke und seine Männer brachten Gaia in ein kleines Behandlungszimmer, banden sie auf einen Tisch, knebelten sie und schoben ihr den rechten Ärmel hoch. Dann kam ein junger Arzt mit einem Tablett herein. Kom mentarlos schob er ihr den Ärmel noch etwas höher, tupfte die Haut in der Armbeuge ab und schob ihr eine Nadel in die Vene. Ein kleines Glasröhrchen füllte sich mit Blut. Gaia wollte protestieren, doch er achtete gar nicht auf sie und wechselte mit professionellem Gleichmut das Röhrchen. Abermals schaute sie zu, wie rotes Blut in die Spritze strömte, dann verschloss er schnell das Röhrchen, zog die Nadel heraus und legte ihr einen Verband an.
    Dann schob er ihr den Ärmel noch höher, tupfte eine andere Stelle ab und gab ihr eine Spritze. Was gebt ihr mir da?, wollte sie fragen, doch der Knebel hinderte sie am Sprechen. Der Arzt verband ihr auch diese Stelle. Dann hob er ihr Kinn mit dem Daumen an. Mit kühlem ärztlichem Interesse besah er sich ihre Narbe, ohne ihr dabei auch nur einmal in die Augen zu schauen. Dann lockerte er den Ausschnitt ihrer Bluse, drückte ihr den kalten Kopf eines Stethoskops auf die Brust und lauschte. Wieder wollte Gaia protestieren, doch wie zuvor wurden ihre Worte erstickt.
    Einer der Wachmänner lachte. »Ist ja echt gesprächig, die Kleine.«
    »Genug jetzt«, sagte der Arzt, und der Wachmann verstummte.
    Der Arzt lauschte einen langen Moment, versetzte das Stethoskop noch zweimal, dann zog er ihr die Bluse wieder zurecht, nahm sein Tablett und ging.
    »Er hat wirklich eine Art mit Frauen«, grinste Jones.
    »Du bist echt krank«, erwiderte Sergeant Burke.
    Dann erlösten er und die anderen sie von dem Tisch, doch nur um ihr die Hände wieder zusammenzubinden und sie die dunklen Flure des Gefängnisses hinabzuschleppen. Ihr Widerstand war vergebens. Am Ende eines kurzen Flurs erblickte sie eine dicke, eisenbeschlagene Holztür, in die ein großes V geschnitzt war.
    Panisch fiel ihr wieder ein, dass Zelle V der Raum gewesen war, in dem man Leon gefoltert hatte. Mit großen Augen wandte sie sich flehentlich an Sergeant Burke, doch er gab seinen Männern bloß ein Zeichen, sie drinnen abzuladen.
    »Keine Ahnung, wie lange du hier bleiben wirst«, sagte er. »Könnten ein paar Minuten oder ein paar Wochen sein. Wenn sie dich brauchen, holen sie dich schon.«
    Die Tür fiel ins Schloss, Gaia kämpfte sich auf die Beine und wich ans kalte Mauerwerk zurück. Dann riss sie sich mit gefesselten Händen den Knebel aus dem Mund und holte tief Luft. Als nächstes biss sie auf ihre Fesseln und zerrte daran, bis sie die Hände freibekam und keuchend die Arme um die Knie legte.
    Der Raum war aus Stein und hatte keine Möbel. In der Mitte des Bodens aber, den man erst kürzlich gescheuert hatte, befand sich ein Abfluss mit einem schwarzen Gitter. Die Luft roch noch leicht nach Putzmittel und nassem Gestein. Über ihr fiel das kalte Licht des späten Nachmittags durch zwei vergitterte Fenster, und da bemerkte sie auf einmal eine lange, schwarze Kette, die von der Decke hing und etwa auf Augenhöhe in zwei Handschellen endete. An der gegenüberliegenden Wand hing eine schwarze Peitsche an einem Haken.
    Die beängstigende Schlichtheit der Zelle drang bis tief in ihr Inneres, das die Leiden dieses Orts nachempfand. Genau hier war Leon ausgepeitscht worden; hier hatte man ihm das oberste Glied seines Fingers abgetrennt. Sie wich bis ins hinterste Eck der Zelle zurück, doch es gab kein Entrinnen vor diesem Albtraum.
    Als die stummen Echos seiner Qual sie immer mehr in die Enge trieben und sie die Peitschenhiebe auf seinem Rücken förmlich zu hören glaubte, bedeckte sie die Ohren, kauerte sich auf den Boden und zog sich zu einem kleinen Ball zusammen. Nicht Leon, bat sie und zitterte. Er hatte es ihr nie richtig erzählt; hatte nie erklärt, wie genau er zu seinen Narben gekommen war. Wie konnte sie es also wissen, wie konnte sie es nun selbst spüren?
    Sie hob das Kinn, um nach Luft zu schnappen. Da entdeckte sie in der obersten Ecke der Zelle einen kleinen weißen Kasten mit einem roten Lämpchen: eine Kamera. Man beobachtete sie, genau wie man Leon beobachtet haben musste. Selbst in diesem Moment wusste jemand

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