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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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auf!«, keuchte sie.
    »Du wirst nicht in diesem Ton mit mir sprechen.«
    »Es tut mir leid!«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Verzeiht mir!«, rief sie lauter. »Es tut mir leid!«
    Abrupt ließ er sie los, und Gaia griff sich an ihr pochendes Ohr und fühlte Blut, wo er seinen Nagel in ihre Haut gegraben hatte. Ihr Herz pochte wie wild, und in ihrem Kopf rauschte es. Der Protektor nahm ein Tuch aus seiner Tasche, tupfte sich das Blut von den Fingerspitzen und hielt es dann ihr hin.
    Sie musste einen Schritt auf ihn zu machen, um es zu nehmen, und da stellte sie fest, dass sie zitterte, solche Angst hatte sie vor ihm. Das Zwischenspiel in Zelle V hatte sie all ihrer Reserven beraubt, und nun war binnen Minuten von der Matrarch New Sylums nicht mehr als ein verängstigtes Mädchen geblieben.
    »Und was sagt man, wenn einem ein Gentleman sein Taschentuch anbietet?«, hakte er nach.
    »Dank Euch, Bruder«, sagte sie leise, und drückte sich das weiße Tuch aufs Ohr.
    Leidenschaftslos sah er sie an. »Was ist das mit meinem Sohn, den du angeblich wiederbringst?«
    Sie war zu durcheinander für eine Antwort. Sie versuchte noch immer zu ergründen, was es mit dem Gen auf sich hatte, von dem er gesprochen hatte. Fast klang es so, als ob man auf sie gewartet hätte, aber das war nicht möglich. Brachte dieses Gen sie nun in noch größere Gefahr, oder machte es sie wertvoll – oder beides?
    »Jetzt rede schon«, sagte der Protektor forsch. »Ist Leon bei euch oder nicht?«
    »Ja, ist er.«
    »Und wie viele seid ihr insgesamt? Zweitausend? Beantworte meine Frage. Stell dich nicht blöd!«
    »Wir sind achtzehnhundert. Wir wollen eine neue Gemeinde gründen, New Sylum, gleich vor Wharfton. Wir werden Wasser brauchen, um zu überleben.«
    »Lass mich das mal richtigstellen«, sagte er. »Du hast mir da einen politischen Albtraum beschert. Eine Armee von Ratten schwirrt nun vor der Mauer umher. Allein die letzte Stunde hatte ich ein Dutzend übereifriger Gutmenschen an meiner Tür, die von mir verlangten, euch die Tore zu öffnen – und noch mal so viele, die mir mit Vorschlägen in den Ohren lagen, wie ich die Enklave am besten vor euren Seuchen und Verbrechern schützen kann.«
    »Es braucht bloß seine Zeit, bis ihr und wir uns besser kennenlernen.« Sie bemühte sich, ruhig und respektvoll zu sprechen. »Wir sind keine Kriminellen, und wir sind auch nicht krank.«
    »Deine Kundschafter haben dieselbe Leier gespielt. Ich glaube euch kein Wort.«
    »Wo sind meine Leute?«
    »Im Gefängnis. Sie nützen mir nicht mehr viel, jetzt, da sich ihre Angaben bestätigt haben. Ich kann sie also freilas sen. Du siehst, ich bin vernünftig.« Er machte eine Pause. »Du dagegen bist das nicht. Du bist hergekommen, weil du unsere Hilfe brauchst, aber du hattest nicht einmal den Anstand, uns eine Warnung zukommen zu lassen. Ich denke, du hast Verständnis dafür, dass sich unsere Hilfsbereitschaft in Grenzen hält.«
    »Ich habe keine Boten vorgeschickt, weil ich befürchten musste, dass Ihr uns abweisen würdet.«
    Er lächelte knapp. »Aber da ihr nun einmal hier seid, bleibt uns keine Wahl. Du wolltest uns vor vollendete Tatsachen stellen. Ist es nicht so?«
    Sie zögerte. In dem Punkt hatte er recht. »Wir können nicht mehr zurück«, erklärte sie. »Die Gegend um den Toten Wald war vergiftet. Wir standen kurz vor dem Aussterben. Alles, was wir wollen, ist eine Chance, zu überleben. Wir wollen unseren Kindern eine Zukunft bieten. Dasselbe wollt ihr doch auch, oder? Die Enklave hat mehr als genug Ressourcen für uns alle.«
    »Diese Ressourcen haben wir nur durch harte Arbeit und Planung erwirtschaftet. Das scheinen andere Leute immer zu vergessen.«
    »Wir werden für alles, was wir brauchen, zahlen.«
    Der Protektor wanderte ein paar Schritte durch den Raum, dann drehte er sich wieder um.
    »Womit denn?«, fragte er. »Das würde ich gerne wissen. Achtzehnhundert Menschen – das sind viertausend, fünftausend Liter Wasser am Tag, die Bewässerung der Felder oder Körperpflege noch nicht eingerechnet. Wasser kostet Geld, Schwester Stone.«
    »Wir können arbeiten«, sagte Gaia. »Wir haben Handwerker, Künstler und Landwirte dabei. Wir sind nicht hilflos.«
    »Künstler?«, schmunzelte der Protektor. »Mir war gar nicht bewusst, dass du über Humor verfügst.«
    Gaia verstummte. Dann faltete sie das Taschentuch neu zusammen und drückte es mit der sauberen Seite wieder aufs Ohr. Sie musste einen Weg finden, ihn zu überzeugen.

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