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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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nickte dem Protektor respektvoll zu. Der aber bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen.
    Gaia trat näher an das Bett mit dem gelben Baldachin heran, das in der Ecke stand, die Vorhänge zu schweren Bündeln gerafft. Als sie die Gestalt in den Kissen erkannte, machte ihr Herz einen Satz: Leon lag schlafend auf dem Rücken. Sein linker Arm war an eine Seitenstange des Bettes gebunden, und darüber hing ein durchsichtiger Infusionsbeutel, dessen Schlauch zu einer Kanüle in seiner Arm beuge führte. Sein rechter Arm befand sich in einer Schiene.
    Leon trug weiße Kleidung und war sauber rasiert. Seine Wangen waren gerötet, und auch seine Lippen wirkten dunkler als sonst, als ob sein schlafender Körper innerlich einen verzweifelten Kampf führte, obgleich sich seine Brust ruhig hob und senkte.
    Sie trat an seine Seite und legte ihm die Hand an die Wange. Eine dunkle Schwellung zog sich von seiner Stirn, auf der ein Schnitt mit vier Stichen genäht worden war, bis unter sein rechtes Auge.
    »Was habt ihr ihm angetan?«, fragte sie den Protektor.
    »Wir haben ihm das Leben gerettet«, sagte er. »Er ist abgestürzt, als er über eine Wasserleitung zwischen zwei Dächern laufen wollte.«
    Gaia trat um das Bett herum und besah sich Leons Gesicht von der anderen Seite. Vorsichtig schüttelte sie ihn an der Schulter. »Leon«, sagte sie leise. »Hörst du mich? Wach auf!« Er aber regte sich nicht. Sie schlang ihre Finger um seine, doch obwohl sie warm waren, blieben sie so schlaff wie Lehm. »Hat er Schmerzen? Was ist das hier?« Sie tippte den Tropf an.
    »Es ist schwer zu sagen, ob er etwas spürt. Die Droge wirst du nicht kennen. Es ist ein Betäubungsmittel, das wir für verschiedene Eingriffe entwickelt haben. Wir können ihn beliebig lange weiterschlafen lassen.«
    Die Enklave hatte kein Krankenhaus, und soweit Gaia von früher wusste, beschränkte sich die medizinische Versorgung darauf, Knochen zu richten, Wunden zu nähen und Geburtshilfe zu leisten. Man besaß Morphin und Antibiotika, und gelegentlich musste man einen Blinddarm entfernen. Nun aber klang es so, als lägen Operationen auf einmal an der Tagesordnung.
    »Ihr könnt ihn in tagelangen Schlaf versetzen?«
    Der Protektor nickte. »Natürlich hätte das Unterernährung zur Folge. Wir haben keine Möglichkeit, ihn künstlich zu ernähren.«
    Ihr entging nicht die Drohung dahinter: Der Protektor hatte Leon nach seinem Sturz zwar zusammenflicken lassen, aber er konnte ihn auch im Koma halten und langsam verhungern lassen.
    »Vielleicht begreifst du jetzt, weshalb du bei deiner Entscheidung auch an Leon denken solltest«, sagte er. »Wir hätten wirklich gern dein Einverständnis zu dem Eingriff.«
    Jetzt war alles klar. Bruder Rhodeski hatte ein Handel vorgeschwebt: Ihre Eierstöcke gegen Wasser. Der Protektor aber hatte noch seine eigene kleine Klausel eingebracht – wenn sie nicht mitspielte, musste Leon bezahlen.
    »Es ist kaum ein Einverständnis, wenn man mich erpresst. Weckt ihn auf.« Sie griff nach dem Infusionsbeutel.
    »Das würde ich nicht tun«, warnte sie der Protektor. »Ihn aufzuwecken erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl. Er dürfte auch höllische Kopfschmerzen haben.« Er wandte sich an den Pfleger. »Bruder Stoltz, sieh doch bitte nach, wo Sephie Frank bleibt.«
    Der Pfleger ging, und der Protektor wanderte nachdenklich zum Kamin. »Wie er da so liegt, käme man nie auf den Gedanken, wie gefährlich er ist. Das war ein netter Einfall mit den Comics in der Spüle heute früh – er hat mich ganz schön auf Trab gehalten.«
    »Ihr habt uns belogen, als Ihr uns Wasser versprochen habt.«
    »Und ihr habt bei der Registrierung mutwillig unsere Zeit und Ressourcen verschwendet. Es wird ewig brauchen, die Duplikate zu isolieren. Es wäre fast einfacher, von vorn zu beginnen.«
    »Ihr habt zuerst gelogen«, erinnerte sie ihn.
    »Und das gibt euch das Recht auf Vergeltung? Unsere Wasserversorgung zu sabotieren?«
    »Wir wollten nur Eure Aufmerksamkeit.«
    Trotz der Distanz zwischen ihnen konnte sie fühlen, wie sich sein Blick in sie bohrte.
    »Das war aber nicht deine Idee – oder doch?« Der Protektor gab einen Laut des Verstehens von sich. »Natürlich nicht! Das war typisch Leon. Denk besser daran, dass du für die Taten deiner Leute verantwortlich bist. Alles hat Konsequenzen – besonders, wenn man Terroristen auf unschuldige Leute loslässt.«
    »Leon ist wohl kaum ein Terrorist.«
    »Du hast wirklich keine Ahnung, mit was für einem

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