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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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Menschen du es hier zu tun hast, was?« Der Protektor hob die Hand. »Schau dir nur dieses Zimmer an. Leon hat es sich ausgesucht, als er zehn Jahre alt war. Es sieht noch genauso aus wie damals, als er es verließ, um sich der Wache anzuschließen. Es sah auch nie anders aus. Ist das vielleicht ein normales Kinderzimmer?«
    Gaia schaute sich ein zweites Mal um. Das Fehlen jegli cher persönlicher Besitztümer war in der Tat ungewöhnlich. Es gab keine Bücher oder Spielsachen, keine gemütliche Ecke, keine Aufzeichnungen irgendeiner Art.
    »Es ist sehr spartanisch«, gab sie zu und griff unwillkürlich nach dem Bändchen an ihrem Arm.
    Dass Leon in einer derart kargen Umgebung aufgewachsen war, tat ihr fast weh. Er war ihr gegenüber immer so rücksichtsvoll gewesen, hatte so hart um ihr Vertrauen gekämpft. Ihr Blick fiel auf das Teleskop, dem noch all seine Hoffnung anzuhaften schien, etwas jenseits der Mauern der Enklave zu sehen. Sie fragte sich, ob er sich vielleicht deshalb alles verwehrt hatte, weil es ihm als Kind so erschienen war, als hätte er bereits alles verloren.
    »Er war immer schon ein kaltherziger Junge«, fuhr der Protektor fort. »Er hatte nie Stofftiere oder Lieblingsbücher, so wie andere Kinder. Falls du dir das mit dem Heiraten lieber überlegen willst – noch ist Zeit. Ich finde wirklich, du solltest es lassen.«
    Doch der Protektor täuschte sich. Gaia hatte Leons Kindheitsschätze gesehen – sie lagen noch immer in den Tunneln, wo er früher mit Fiona gespielt hatte, und zerfielen langsam zu Staub. Er hatte sie bloß sicher versteckt. Sie fixierte den Mann, der Leon großgezogen und so häufig geschlagen hatte, dass er nie hatte wissen können, wann ihm die nächste Strafe drohte.
    »Er hat sich verändert«, sagte sie.
    Der Protektor trat um das Bett herum und machte ein grimmiges Gesicht. »So sehr ändern sich die Leute aber nicht. Schon in der Schule hat er betrogen und sich geprügelt. In der vierten Klasse hat er aus den Häusern unserer Freunde gestohlen. Einmal ist er in einen Laden eingebrochen und hat genug Hochprozentiges geklaut, um seine ganze Fußballmannschaft abzufüllen. Sie waren gerade mal zwölf! Am nächsten Tag habe ich ihn erwischt, wie er für den Koch die Hühner köpfte – einfach, weil die Arbeit ihm Spaß machte.«
    Gaia schüttelte ungläubig den Kopf. »Für so ein Verhalten muss es einen Grund geben. Normalerweise ist er nicht so. Habt Ihr ihn denn je angehört, bevor Ihr ihn geschlagen habt?«
    »Aber sicher habe ich das. Er hat seine Mutter, seine Schwestern und das halbe Personal um den Finger gewickelt.« Der Protektor äffte einen mitfühlenden Tonfall nach. »›Der arme kleine Leon. Du bist zu hart zu ihm, Miles!‹« Er schnaubte. »Und geschlagen? Ich habe ihm vielleicht ein paar Mal einen Klaps gegeben, damit er zuhört. Er ist so ein Lügner. Ich war der Einzige, der sein wahres Gesicht kannte, und trotzdem, trotzdem habe ich ihn nicht aufgegeben. Immer wieder habe ich ihm eine Chance gegeben.« Ungeduldig stieß er den Globus an. »Ich werde mir nie verzeihen, dass ich Fiona nicht vor ihm beschützt habe.«
    Etwas von Gaias Zorn verflog in diesem Moment. So wenig sie den Protektor mochte oder ihm traute, den Verlust, den er als Vater erlitten hatte, konnte sie nicht ignorieren.
    »Das mit Fiona tut mir leid«, sagte sie deshalb. »Sie muss ein wunderbares Mädchen gewesen sein. Ich weiß, dass Leon sie schrecklich vermisst.«
    Er schaute sie ausdruckslos an. »Ein Hund versteht mehr vom Vermissen als Leon.«
    Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. »Ich muss mit ihm reden. Weckt ihn auf.« Wieder griff sie nach dem Tropf.
    »Du kannst ihm nicht einfach den Katheter rausziehen. Das muss man langsam machen.«
    Da klopfte es an der Tür, und Sephie Frank und Bruder Stoltz traten ein.
    »Lassen wir die Ärzte ran«, sagte der Protektor und warf einen Blick auf die Uhr. »Bringt ihn so weit zu Bewusstsein, dass Gaia mit ihm reden kann, aber nicht mehr. Ihr könnt dann auch gleich die Details der Eierstockentnahme besprechen. Ich habe meine Gäste schon zu lange warten lassen.« Damit ging er Richtung Tür.
    »Meine Antwort lautet nein«, sagte Gaia.
    Er hielt inne, eine Hand in die Hüfte gestemmt. »Wir können deine Eizellen befruchten und nach ein paar Teilungen Blastozysten aus ihnen gewinnen. Dann müssen wir nur noch sichergehen, dass sie auch das Gen besitzen, das wir brauchen. Wir reden hier nicht bloß von ein, zwei Kindern. Wir werden

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