Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
die Lampe neben dem Bett, damit sie Leon nicht direkt ins Gesicht schien. »Denk wenigstens darüber nach. Sogar deine Blutgruppe wäre perfekt. Da du Null negativ hast, bräuchten wir nur auf die Blutgruppe des Vaters zu achten, nicht auf die der Leihmutter. Du bist die ideale Mutter.«
Gaia hatte keine Lust mehr, zu streiten. »Wieso dauert das so lange?« Sie fühlte Leons Puls und zählte die Sekunden auf ihrer Taschenuhr, die trägen Schläge seines Herzens. Seine Brust hob und senkte sich beständig, doch seine Augenlider lagen ruhig, er sah aus wie ein verzauberter Prinz im Märchen.
Sephie regulierte abermals den Tropf. »Er sollte gleich zu sich kommen. Nur Geduld.« Sie zögerte. »Übrigens können wir die Operation jederzeit durchführen, aber morgen oder übermorgen wären ideal. Man hat dir bei deiner Ankunft bereits ein Hormon injiziert. Nur noch ein kleiner Anstoß – und wir könnten sofort den Eisprung einleiten. Dann wäre die Entnahme am günstigsten.«
»Ich habe doch nein gesagt.«
»Würdest du es denn nicht mal für Leon tun?«
»Natürlich würde ich das – aber das hieße, darauf zu vertrauen, dass der Protektor seinen Teil der Vereinbarung erfüllt, und das wird er nie tun.«
»Bruder Rhodeski und Genevieve könnten dafür sorgen, dass er sein Wort hält.«
»Was ist eigentlich aus dir geworden?«, fragte Gaia. »In Zelle Q warst du eine gute Ärztin.«
»Das bin ich immer noch – besser denn je.« Sephie winkte Bruder Stoltz heran. »Hilf mir mal und binde seine Beine fest.«
»Ist das denn nötig?«, fragte Gaia.
»Er war schon vorher nicht gerade kooperativ. Ich will nicht, dass er sich beim Aufwachen verletzt.«
Der Pfleger band Schlaufen um Leons Beine, setzte ihn auf und bettete seinen gebrochenen Arm auf ein Kissen. Dann kontrollierte er noch die Fessel am anderen Arm und zog sich mit Sephie hinter den Tisch zurück.
Gaia saß auf der Bettkante und hielt Leons Hand, sorgsam darauf bedacht, nicht an den Tropf zu stoßen. »Leon«, flüsterte sie.
Leons dunkle Wimpern waren regungslos, seine Brauen ganz entspannt. Ein Gefühl der Fürsorge durchströmte sie. Sie hatte ihn schon zuvor schlafen gesehen, doch normalerweise machte er den Anschein, als könnte er jede Sekunde erwachen, voller Leben und Tatendrang. Jetzt aber schienen seine Züge kalt, seine Reglosigkeit einfach zu tief.
Was, wenn sie wirklich ein Opfer für ihn bringen musste?
Da drehte er sein Gesicht in Richtung des Fensters und der kühlen Brise.
»Leon«, sagte sie und beugte sich aufgeregt vor. »Ich bin’s, Gaia. Hörst du mich?«
Er blinzelte schwer, und sie strich ihm zärtlich das Haar aus der Stirn, vorsichtig, um nicht an die Stiche zu kommen. Sein Blick wanderte suchend umher und traf dann auf ihren. »Nein«, sagte er und lächelte schwach.
Gaias Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Sie nahm seine Hand und griff nach einer Tasse Wasser. »Hier hast du was zu trinken.« Sie legte ihm den Strohhalm an die Lippen und gab sich Mühe, sein Lächeln zu erwidern. »Wir müssen reden. Bitte Leon, bleib jetzt bei mir.«
Sie wartete, bis er es schaffte, zu saugen und zu schlucken. Dann löste er die Lippen von dem Strohhalm und versuchte sich zu bewegen. Sein Blick ging von seinen Fesseln zu seinem gebrochenen Arm, dann wieder zu Gaia.
»Haben sie dir etwas angetan?«, fragte er.
»Nein. Aber wie du aussiehst! Bist du wirklich von einer Wasserleitung gestürzt?«
Da schaute er an ihr vorbei Richtung des Fensters, und ein leiser Fluch drang über seine Lippen. »Schon wieder Nacht. Hast du Pyrho oder Jack gesehen? Ist Angie in Sicherheit?«
Gaia warf einen Blick über die Schulter und senkte die Stimme. »Angie ist bei Mace und seiner Familie – sie haben die Enklave verlassen. Pyrho ist auch draußen. Jack habe ich seit gestern früh nicht mehr gesehen.«
Leon nickte schwach. »Wie spät ist es?«
»Elf«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr. »Wieso?«
Er runzelte die Stirn. »Genau elf? Bist du dir sicher? Dann wird es in zehn Minuten eine Explosion geben. Versprich mir, dass du die Aufregung nutzen wirst, um zu verschwinden.«
»Ich lasse dich hier doch nicht zurück, schon gar nicht, wenn es eine Explosion gibt.«
»Das wird nur eine kleinere sein – aber sie wird für etwas Ablenkung sorgen. Genug, dass du entkommen kannst.«
»Was hast du bloß getan?«
Leon lächelte grimmig. »Inzwischen muss eine ganze Reihe von Explosionen eingesetzt haben, die von Mal zu Mal schlimmer
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