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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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mit Schwertern und Bogen hineingehen?«
    »Dann sterben wir wenigstens kämpfend«, sagte Bill.
    »Wenn wir uns auf einen Kampf einlassen, sterben wir ganz bestimmt. Wenn wir friedlich hineingehen, besteht die Chance, eine sehr kleine Chance, dass sie uns nicht töten.«
    Stille breitete sich über dem Platz aus. Dann entbrannten erneut Diskussionen, doch nicht mehr so ablehnend wie zuvor.
    » Wir müssen uns entscheiden, wie es weitergehen soll«, sagte Gaia. » Wir sind diejenigen, die in wenigen Minuten dort reingehen werden. Wir können über unser Schicksal bestimmen – und ich möchte nicht, dass wir sterben.«
    »Sie hat recht!«, rief jemand in der Menge. »Nur so haben wir eine Chance!«
    »Das ist doch Wahnsinn!«, rief ein anderer.
    Gaia hob wieder die Hand, und alle verstummten. Sie konnte fast ihren Atem hören, als wäre die Menge ein einziges großes Wesen.
    »Hört mich an«, sagte sie. »Die Menschen New Sylums sind dem Tod schon einmal mit knapper Not entkommen. Wir lebten an einem Ort, an dem unsere Kinder keine Zukunft mehr hatten. Es war ein großes Risiko, durchs Ödland hierherzukommen. Aber der Mut der Verzweiflung befähigt einen zu Taten, die man nicht für möglich halten sollte – und jetzt sind wir hier, in Wharfton.« Sie holte tief Luft. »Wir werden gemeinsam in die Enklave gehen, Hand in Hand! Wir werden ihnen zeigen, was es heißt, mutig zu sein. Wir werden ihnen zeigen, aus was für einem Holz wir geschnitzt sind.«
    Die Menge war mucksmäuschenstill, doch man konnte die Entschlossenheit und die Hoffnung der Leute spüren.
    »Aber wenn sie uns nun alle umbringen?«, rief eine Stimme von weiter hinten – nicht streitlustig oder aggressiv – es war die reine Verzweiflung, die aus ihr sprach.
    »Dann sind wir gescheitert«, sagte Gaia.
    Sie ließ die Wahrheit ihrer Worte eine Weile wirken. Die Fackeln zischten und knackten, dann breitete sich wieder Gemurmel aus. Jemand lachte. Das Wort Selbstmord machte die Runde, doch sie spürte auch, wie die Stimmung umschlug. Sie waren jetzt auf ihrer Seite. Sie sahen es ein.
    Leon schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Was?«, fragte sie ihn. »Ich habe doch recht, oder etwa nicht?«
    »Ja«, sagte er. »Zumindest, was das Ergebnis betrifft, wenn wir bewaffnet reingehen. Was den Rest angeht – ich bin mir nicht sicher.«
    »Wir müssen sie anführen, du und ich«, sagte Gaia.
    »Ich hatte da so eine Ahnung.«
    Lächelnd griff sie seine Hand und ließ sich von der Kiste helfen. Dann schaute sie zu Peter, Will und den anderen. Sie nickten. Derek und die übrigen Anführer traten zu ihr.
    »Ich glaube, es wird Zeit«, sagte sie zu Pyrho.
    Er nickte ebenfalls.
    Noch einmal wandte sich Gaia an die Menge. »Wir sprengen jetzt die Mauer. Haltet Abstand, damit ihr nicht verletzt werdet! Und dann, wenn ihr euch anschließen wollt, kommt unbewaffnet und folgt mir.«
    Gaia duckte sich tief auf den Boden und behielt die Mauer im Blick. Sie wollte Pyrho nicht den Befehl zum Sprengen geben, solange noch Wachen auf dem Wehrgang oberhalb des Tors standen. Deshalb hatten sie einen kleineren Sprengsatz in einiger Entfernung vorbereitet, um die Wachen in Richtung des zweiten westlichen Sektors zu locken.
    Sie hörten die Explosion als dumpfen Knall. Die Wa chen hielten erst verdutzt inne, dann rannten sie los, und einen Moment später schien der Wehrgang verlassen.
    »Jetzt!«, sagte sie.
    Ein zweiter Knall zerriss die Stille, und eine Schockwelle heißer Luft schlug ihr ins Gesicht. Das Tor zerbarst in einem weißen Funkenregen und sandte Steine und flammendes Holz dreißig Meter weit durch die Nacht. Dann erhellten noch zwei Explosionen, weiter entfernt, in schneller Folge den dunklen Himmel. Jedes Mal erzitterte der Boden, und von der anderen Seite der Mauer erhob sich Geschrei.
    Gaias Herz raste. Sie stand auf und versuchte im Rauch etwas zu erkennen. Noch immer prasselten Steine auf sie herab. Wo sich das Südtor befunden hatte, klaffte nun ein breites, unregelmäßiges Loch in der Mauer, dessen zerklüftete Ränder sich aus einem Haufen scharfkantigen Gerölls erhoben – und dahinter konnte man die ersten Häuser der Enklave sehen. Überall lagen die brennenden Trümmer des Tors und des Wehrgangs, und auch die Markise eines Ladens hatte Feuer gefangen.
    »Und, wie fandest du’s?«, fragte Pyrho.
    Seine fröhliche Stimme tat ihr in den Ohren weh.
    »Das war mehr, als ich erwartet hatte.«
    »So viel wie eben nötig.«
    Sie machte einen Schritt nach vorn.

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