Der Weg der Helden
Mondstein zu streiten. » Wir müssen reden, wenn ich zurückkomme.«
» Über nachhause gehen?«
» Über Einäugiger-Fuchs.«
» Du weckst mich. Wir reden.«
Die Kutsche kam pünktlich an, und Talaban setzte sich in den Fond, von wo aus er über die Stadt blickte. Sie war in den letzten fünfzig Jahren gewachsen, war fast doppelt so groß geworden. Viele der älteren Gebäude auf den fünf Hügeln der ursprünglichen Stadt waren sehr aufwendig hergestellt worden, die meisten neuen Häuser dagegen waren nur aus gebrannten Lehmziegeln erbaut. In den schmalen Straßen und überfüllten Zentren hausten Arbeiter, Töpfer, Bäcker, Steinmetze, Gewandmacher, Zimmerleute, Hausdiener und viele mehr. Die Vagaren waren ihren Avatar-Herren zahlenmäßig hundertfach überlegen, Tendenz steigend.
Talabans Stimmung war ernst, als die Kutsche über die alte Steinbrücke in das von Avatar bewohnte Zentrum der Stadt fuhr.
Hier waren die Gebäude deutlich besser, zumeist riesige Häuser, deren Fassaden aus perfekt gearbeitetem Marmor gefertigt waren, flankiert von wundervollen Statuen. Hier gab es auch Brunnen und künstliche Seen sowie Parks mit verschlungenen Spazierwegen. Die Kutsche bog auf eine breite Straße ein und fuhr an der Großen Bibliothek und dem Antiquitätenmuseum vorbei. Beide Gebäude waren errichtet worden, als das alte Imperium in der Blüte seiner Macht stand. Die gewaltigen, achtzig Tonnen schweren Quader waren von nur einer Handvoll Arbeiter aufeinandergeschichtet worden, welche die legendäre Musik des Avatar Primu benutzten. Talaban hatte so etwas erlebt, als er noch ein Kind in Parapolis gewesen war. Zuerst spielte ein Questor eine einfache Melodie auf einer langen Flöte. Dann erklangen die Trompeten. Steinmetze der Avatar traten vor, ihre Bewegungen in perfektem Einklang mit dem Rhythmus der Musik. Dann hoben sie riesige Blöcke ebenso leicht wie Getreidesäcke. Die Leute sammelten sich an der Baustelle, um die Magie zu bestaunen und der Musik zu lauschen.
Die Bibliothek war riesig, und der große Türsturz über dem Eingang ruhte auf den Schultern von zwei zehn Meter hohen Statuen. Darüber stand auf einem gewaltigen Thron die Statue eines Avatar Primu, der seine Hände in Richtung des Volkes ausgestreckt hatte. Ursprünglich hatte man damit ausdrücken wollen, dass er zwar über die anderen Menschen erhoben war, aber nur durch den Willen des Volkes. Deshalb waren es zwei Vagaren, die ihn hielten. Jetzt jedoch kam es Talaban vor, als würde das nur unterstreichen, dass das Gewicht der Herrschaft der Avatar auf den Schultern der Vagaren lag.
Die Kutsche fuhr weiter. Hunderte von Leuten schlenderten über die makellosen Fußwege und blieben stehen, um sich die Waren in den zahlreichen Geschäften anzusehen. Die Leute hier waren besser gekleidet. Die meisten waren Vagaren, deren Familien reiche Händler waren.
Viele Avatar betrachteten die Händler der Vagaren als ihre größten Verbündeten unter den niederen Rassen. Talaban ließ sich jedoch nicht täuschen. Denn diese Händler waren diejenigen, die am eifrigsten bestrebt waren, der Herrschaft der Avatar ein Ende zu bereiten. Ihre Gewinnspannen würden dramatisch ansteigen, wenn sie den Handel der Stadt allein kontrollierten.
Die Kutsche fuhr weiter. Talaban erblickte den Palast, der sich vor dem nächtlichen Himmel abhob. Helle Lichter erstrahlten aus seinen Fenstern, daher wusste er, dass eine der Truhen dort installiert worden war. Der Palast war vor zweihundert Jahren errichtet worden, ersonnen von Architekten der Avatar und erbaut, als das Imperium immer noch die Macht und die Energie für solche Projekte besaß. Es war wahrscheinlich das schönste Gebäude, das vom Eis verschont geblieben war. Das Dach war mit goldenen Schindeln gedeckt, die Wände mit einer Vielzahl von Statuen geschmückt und mit Szenen aus der Geschichte der Avatar bemalt.
Die riesigen ehernen Portale waren geöffnet, und zwei Wächter der Avatar winkten die Kutsche hindurch.
Talaban stieg aus, nachdem die Kutsche angehalten hatte, und erklomm die Stufen zu den schweren Doppeltüren. Es gab vierundsechzig Stufen, die die Reise des Lebens repräsentierten. Symbole unterteilten sie in Achtergruppen: Empfängnis, Geburt, Pubertät, Erwachsenenalter, Reife, Weisheit, Spiritualität und Tod.
An beiden Seiten der Stufen waren Statuen platziert, deren königliche Gesichter in der Zeit erstarrt waren. Ihre ausdruckslosen Augen starrten gleichgültig auf die Sterblichen, die
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