Der Weg der Helden
emporstieg. Dann war sie verschwunden. Die Vision bekümmerte ihn, denn er konnte ihre Botschaft nicht entschlüsseln. Eis und Feuer. Das sagte dem Stammesmann der Anajo nicht viel.
Er schlang sich die Schnur seines Medizinbeutels wieder über den Kopf und verstaute den Beutel in seinem Hemd. Dann streckte er sich auf dem Teppich aus. Der Anajo mochte keine Betten. Auf den weichen Kissen bekam er einen steifen Hals.
Er lag auf dem Boden, die Arme über der Brust gekreuzt, und stellte sich erneut die wilden Hügel und die Jagden vor, sah wieder den glorreichen Tag seiner Heirat und erinnerte sich mit ständig wachsender Zärtlichkeit an seine erste Nacht mit Suryet.
Zwei Monate später waren die Blauhaare in der Heiligen Bucht gelandet. Mondstein hatte zu der Kriegerschar gehört, die gegen sie gekämpft hatte. Sie hätten gewonnen, wäre da nicht ein schwarzhaariger Krieger gewesen, der mit zwei Schwertern bewaffnet war. Seine Schnelligkeit war furchteinflößend gewesen, und er war nicht zurückgewichen, als alle anderen um ihn herum flüchteten. Als seine Kameraden einer nach dem anderen von diesem Mann niedergestreckt wurden, hatte sich Mondstein auf den Krieger gestürzt und versucht, ihm mit seinem Kriegsbeil den Schädel zu spalten. Doch jemand hatte ihm auf den Kopf geschlagen, und als er wieder aufwachte, fand er sich eingesperrt in einem eisernen Käfig tief im Bauch dieses Schiffes.
Es war eine lange Reise gewesen, und der Stammesmann war in eine Stadt aus Stein gebracht worden, wo Tag um Tag Blauhaare zu ihm gekommen waren und versucht hatten, ihm ihre Sprache beizubringen. Die Monate waren verstrichen. Er hatte gelernt. Er hatte ihre Sprache gelernt und noch vieles mehr. Er hatte gelernt, sie zu hassen.
Sie stellten ihm viele Fragen über sein Volk, ob Götter unter ihnen wandelten. Er antwortete mit Lügen und Halbwahrheiten bis zu jenem sonnigen Tag, an dem man ihm erlaubte, in den Gärten spazieren zu gehen. Er hatte sie überrumpelt, war weggerannt, hochgesprungen und hatte den untersten Ast eines großen Baumes gepackt. Er hatte sich aufgeschwungen, war an dem Stamm hinaufgeklettert und über die Mauer gesprungen. Es war ein hoher Sprung gewesen, und er hatte sich den Knöchel verstaucht. Trotzdem war er ihnen entkommen, in den verschlungenen Gassen rund um die Burg.
Unbewaffnet und verletzt hatte er sich den Weg zum Meer gesucht, in der Absicht, ein Boot zu stehlen. Er hatte es zum Hafen geschafft, war dort stehen geblieben und hatte die Schiffe angestarrt, die dort ankerten. Es gab weder kleine Boote noch Kanus. Sein Mut sank.
Eine Gestalt trat aus dem Schatten, und er sah sich demselben Krieger gegenüber, der seine Freunde getötet hatte. Mondstein spannte sich an, bereit, den Mann anzugreifen.
» Wie ich sehe, hast du viel gelernt«, sagte der Krieger.
» Mache dich tot«, gab Mondstein zurück.
» Vielleicht. Aber nicht unbewaffnet und ganz gewiss nicht mit einem verletzten Knöchel. Setz dich auf die Mole, dann heile ich ihn.«
Mondstein konnte nirgendwohin flüchten, und mit seinem geschwollenen Knöchel hätte er dem Mann ohnehin nicht entkommen können. Also ergab er sich in sein Schicksal und setzte sich. Der Krieger kniete sich neben ihn, nahm einen grünen Kristall aus seinem Beutel und hielt ihn an den verletzten Knöchel. Sofort ließ der Schmerz nach. Nach ein paar Minuten erhob sich der Krieger wieder. » Versuche, ihn zu belasten«, sagte er. Vorsichtig richtete sich der Anajo auf. Der Schmerz war verschwunden. » Komm, lass uns essen und trinken«, sagte der Krieger, wandte sich von dem Stammesmann ab und ging zu einer Taverne am Hafen.
Mondstein war ihm gefolgt. Er wusste immer noch nicht, warum.
In der Taverne bestellte der Krieger, Talaban, eine Mahlzeit aus gutem, rotem Fleisch. Mondstein aß.
» Eines Tages«, sagte Talaban, » werde ich in den Westen zurückkehren. Wenn du möchtest, nehme ich dich mit.«
» Frau ist da«, erwiderte Mondstein. » Muss zurückkehren.«
» Ein Krieg steht bevor, und im Augenblick unternimmt kein Schiff diese Reise. Wenn sie es wieder tun, wirst du mitfahren. Das verspreche ich dir.«
» Wie lange?«
» Ein Jahr. Vielleicht zwei.«
» Ich stehle kleines Boot. Fahre selbst.«
» Selbst mit günstigem Wind wirst du drei Monate brauchen.«
» So weit?« Mondstein war entsetzt.
» Das ist es, allerdings. Und außerdem sind die westlichen Länder ungeheuer groß. Wenn ein Schiff dich an der nördlichen Küste absetzen würde,
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