Der Weg der Helden
ein dummer Mann?«
» Nein, Majestät.«
» Dann vertrau meinen Worten. Du hast mehr Mut, als dir klar ist. Morgen werden wir diese Stadt verlassen, und dann bist du in Sicherheit. Ist das nicht so?«
» Doch, Herr«, erwiderte Sadau mürrisch.
Rael war ausgesprochen schlecht gelaunt. Die Konzilssitzung war extrem peinlich gewesen. Die Vagaren hatten kaum etwas gesagt und es Mejana überlassen, ihre Belange zu verhandeln. Es ist auch besser, dass sie geschwiegen haben, dachte er. Sie sind allesamt Verräter. Was ihn besonders verärgerte, war der Umstand, dass er die meisten der anwesenden Vagaren gekannt hatte. Diese Männer, zumeist Kaufleute und Künstler, waren unter der Herrschaft der Avatar zu Wohlstand gelangt, und etliche von ihnen hatte Rael bei offiziellen Gelegenheiten eingeladen. Jetzt wusste er, dass sie sich alle verschworen hatten, Männer wie Baliel und Ro zu töten. Vielleicht sogar ihn selbst. Er hätte am liebsten Soldaten in ihre Häuser geschickt, sie aus ihren Betten holen und exekutieren lassen.
Er unterdrückte solch süße Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit auf Talaban, der stumm auf einer Couch saß und in einen Becher mit Wein starrte.
» Ihr seid sehr still«, sagte er. » Hat sie Euch verzaubert?«
» Ich glaube, das hat sie«, antwortete Talaban mit einem zerknirschten Lächeln. » Ich habe mich zum Narren gemacht. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr losreißen. Meine Zunge schien zu doppelter Größe angewachsen zu sein, und ich habe nur dummes Zeug geredet.«
» Lasst Euch nicht täuschen, Talaban. Sie ist der größte Feind, den wir uns vorstellen können.«
» Das ist schwer zu glauben, Ser.«
» Vertraut mir. Ihr wisst nicht, was sie ist… und was aus ihr werden wird.«
» Ich weiß, dass sie uns hilft und bereit ist, den Feind zu bekämpfen.«
» Ja, jetzt noch«, gab Rael zurück. » Aber sie wird jeden Tag stärker werden und an Wissen gewinnen. Sie wird sich verändern, Talaban.«
» Wie könnt Ihr Euch dessen so sicher sein?«
» Sie ist kristallgebunden.«
Talaban fuhr zurück, als hätte man ihn geschlagen. » Nein! Das kann nicht sein!«
Rael missverstand den Grund seiner Bestürzung. » Das kann sehr wohl sein, und es ist auch so. Viruk hat sie in einem Dorf gefunden. Er hat ihr beigeschlafen und bemerkt, dass sie ein Krebsgeschwür in ihrer Lunge hatte. Wie üblich missachtete er die Regeln und benutzte seinen Kristall, um sie zu heilen. Was eigentlich kein echtes Problem darstellt. Nur dass diese Frau zufällig die eine unter den vielen Millionen war. Der Kristall veränderte sie, wurde ein Teil von ihr. Und dieser Prozess setzt sich fort. Heute kann sie Gedanken lesen, Wunden heilen, und ihre Seele kann in die entlegensten Winkel der Erde fliegen. Morgen oder nächsten Monat oder aber im nächsten Jahr wird sie so sein wie die Kristallkönigin, und ihre Macht wird ungeheuerlich sein. Glaubt Ihr, dass ein solches Wesen freiwillig sterben wird?«
» Sie wird zu Kristall werden«, flüsterte Talaban, » wie Chryssa.«
» Nein, nicht wie Chryssa!«, fuhr Rael auf. » Sondern wie die Kristallkönigin oder der dritte Avatar Primu. Wie viele Tausende sind in den Kristallkriegen gestorben? Wie viele haben ihr Blut geopfert, um ihn am Leben zu erhalten? Laut Berichten von Zeitgenossen haben mehr als hunderttausend Avatar ihr Leben verloren, um ihn zu nähren.«
» Wie viel Zeit hat sie noch in ihrer menschlichen Gestalt?«, erkundigte sich Talaban.
» Das weiß ich nicht. Zwei Jahre. Fünf. Wen kümmert es? Die Frage ist, was können wir unternehmen, damit wir wieder die Oberhand bekommen?«
Talaban spürte, wie sich sein Magen bei dem Gedanken zusammenkrampfte, dass Sofarita sterben musste. Ihm schwindelte bei dieser Vorstellung. Er unterdrückte die Furcht und sah zu Rael hoch. Der Questor General war müde und hatte dunkle Ränder um die Augen. » Wie lange ist es her, dass Ihr geschlafen habt, Ser?«, wollte er wissen.
» Drei Tage. Keine Sorge, ich werde bald ruhen. Also, sagt mir, was Ihr denkt.«
» Ich denke, es ist sinnlos, einen Plan gegen Sofarita oder die Vagaren zu schmieden. Die Almecs sind unser ärgster Feind. Sie müssen besiegt werden. Wir haben schon so kaum eine Chance gegen sie; wenn wir uns aber aufspalten, haben wir gar keine. Diese Konzilsversammlung lässt nichts Gutes ahnen. Die Vagaren waren angespannt und fühlten sich unbehaglich. Und von unserer Seite wurde keine echte Anstrengung unternommen, sie in die
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