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Der Weg der Helden

Der Weg der Helden

Titel: Der Weg der Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David A. Gemmell
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östlichen Distrikt nicht sonderlich. Es war ein kleiner, enger Saal, und das Pult des Richters ragte nur einen halben Meter vom Boden empor. Außerdem war der Richter gezwungen, den Saal von einem Seitenraum aus zu betreten, und musste dabei unterhalb der für das Publikum bestimmten Sitzreihen vorbeigehen. Dadurch konnten die Vagaren auf Ro herabblicken, was seinem Gefühl nach ungebührlich war. Richter sollten aus einer Tür hinter dem Podest auftreten, so wie es in allen anderen Gerichtssälen üblich war.
    Ro zupfte an seinem gegabelten blauen Bart und richtete seinen Blick auf die Zuschauergalerie. Es waren keine Avatar da, und die Bänke waren nur halb gefüllt. Der Questor zupfte seine blauen Roben zurecht und trank einen Schluck Wasser aus einem kristallenen Becher. Dann bedeutete er den Wachen mit einem Nicken, den nächsten Beklagten hereinzuführen.
    Es handelte sich um einen Vergewaltigungsfall. Das Opfer war eine reiche, fette Vagarenfrau mittleren Alters, die behauptete, ihr Gärtner wäre ins Zimmer eingedrungen und hätte ihr schreckliche Gewalt angetan und erst von ihr abgelassen, als ihr Ehemann hereingestürmt war. Die Anklage forderte die Todesstrafe.
    » Wurden irgendwelche Waffen am Tatort gefunden?«, fragte Ro den Ankläger.
    » Nein, Gerechter Questor. Der Mann hat die Mistress mit reiner Körperkraft überwältigt.«
    Ro musterte beiläufig die Akten, hob seinen Kopf und betrachtete den kleinen, dürren Beklagten. Der Mann blinzelte nervös, und der Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen. » Wie ich lese, wurde seine Garderobe im Erdgeschoss gefunden, zusammen mit dem Gewand der Mistress. Wie, bitte schön, konnte er sie also überzeugen, mit ihm nach oben zu gehen?«, wollte Ro wissen.
    Der Ankläger hatte bereits bemerkt, dass Ros Gereiztheit ständig wuchs, und wurde sichtlich blass. » Er hat ihr Leben bedroht, Gerechter Questor.«
    Ro überflog den Text noch einmal. » Nach diesen Akten war er bereits seit vier Jahren bei der Mistress und ihrem Gemahl beschäftigt und lebt mit vier weiteren Arbeitern in einem kleinen Haus auf dem Anwesen. Wollt Ihr also wirklich dieses Gericht davon überzeugen, dass ein Mann sein Leben und sein Auskommen riskiert, und das in dem sicheren Wissen, überführt zu werden, nur um der Frau seines Arbeitgebers gegen ihren Willen beizuschlafen? Ich hoffe doch sehr, dass Ihr das nicht vorhabt, Ankläger. Laut der Beweisaufnahme gab es keinerlei Spuren von Gewaltanwendung am Körper des angeblichen Opfers, und ihre Kleidung war auch nicht zerrissen. Soweit ich das hier sehe, lag ihr Gewand ordentlich gefaltet über einer Couch. Zudem wurden zwei Pokale mit Wein im Schlafzimmer gefunden. Tretet vor.«
    Der Ankläger näherte sich dem Richterpult. Es war ein junger Avatar, der Sohn eines untergeordneten Questors, der im östlichen Bezirk diente. Ro beugte sich über den Tisch. » Ihr seid kein Dummkopf, nehme ich jedenfalls an. Warum also wurde dieser lächerliche Fall vor Gericht gebracht? Es ist ganz offenkundig, dass die Frau ihren Angestellten verführt und ihr Ehemann sie in flagranti ertappt hat. Sie hat diese Geschichte erfunden. Und es ist eine ausgesprochen armselige Erfindung.«
    » Ihr Ehemann ist einer unserer loyalsten Anhänger, Gerechter Questor. Und er ist unter den Vagaren hoch angesehen.«
    Ro schickte ihn mit einer Handbewegung weg. » Die Anklage gegen diesen Mann wird fallen gelassen«, sagte er. » Führt den nächsten Beklagten herein.«
    Die Wachen führten eine schlanke, großgewachsene junge Frau mit langem, dunklem Haar herein. Sie trug ein einfaches Kleid aus grüner, selbst gesponnener Wolle, das schlecht gefärbt war. Sie war dreier Vergehen angeklagt: Hexerei, was gegen ein uraltes Gesetz verstieß, das die Vagaren schon lange vor der Eroberung durch die Avatar erlassen hatten; zweitens hatte sie innerhalb der Stadtmauern eine Beschäftigung angenommen, ohne eine entsprechende Erlaubnis zu besitzen; und drittens hatte sie weniger als fünf Silberstücke bei sich, womit sie unter das Gesetz gegen Landstreicherei fiel. Die Anklage wegen Landstreicherei konnte sie zwei Jahre Kristallbad kosten, das Fehlen einer Arbeitserlaubnis weitere fünf. Das uralte Gesetz der Vagaren gegen Hexerei dagegen sah bei einem Verstoß die Todesstrafe vor.
    Ro las die Beweisakten langsam und sorgfältig. Die Frau war neu in der Stadt und hatte offenbar ein Baby geheilt, das an Fieber erkrankt war. Eine Menge Leute hatte dabei zugesehen und dann

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