Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
die Kehle durch«, sagte Nahm.
»Also, Nahm!«, rief Amark und stand auf. »Das geht nicht …«
»Ach, halt doch den Mund«, erwiderte Nahm. Einige Männer an den anderen Tischen blickten nun herüber. »Pass mal auf. Kurp, schneid dir die Kehle durch.«
»Es ist mir aber verboten, Selbstmord zu begehen«, sagte Szeth leise in der Bav-Sprache. »Als Unwahrer ist es die Natur meines Leidens, dass ich den Tod durch eigene Hand nicht genießen darf.«
Amark setzte sich wieder und blickte verlegen drein.
»Heilige Staubmutter«, sagte Ton, »quatscht der immer so?«
»Wie?«, fragte Nahm zurück und nahm einen Schluck aus seinem Becher.
»Mit glatten Worten, so sanft und anständig. Wie ein Hellauge. «
»Ja«, sagte Nahm. »Er ist wie ein Sklave, nur besser, denn er ist ein Schin. Er läuft nicht weg und gibt auch keine Widerworte, nichts dergleichen. Muss auch nicht bezahlt werden. Er ist wie ein Parscher, aber klüger. Ist viele Kugeln wert, würde ich sagen.« Er sah die anderen Männer an. »Ihr könnt ihn mit euch in die Mine nehmen und dann seinen Lohn einheimsen. Er könnte Sachen machen, die ihr nicht machen wollt. Zum Beispiel die Latrinen säubern oder das Haus kalken. Lauter sinnvolle Dinge.«
»Wie bist du eigentlich an ihn gekommen?«, fragte einer der Männer und kratzte sich am Kinn. Nahm war ein Wanderarbeiter, der von Ort zu Ort zog. Indem er Szeth zur Schau stellte, machte er sich schnell Freunde.
»Das ist eine ganz andere Geschichte«, sagte Nahm. »Ich bin in den Bergen im Süden rumgereist, wisst ihr, und da hab ich dieses unheimliche Heulen gehört. Das war nicht bloß der Wind, wisst ihr, und …«
Die Geschichte war frei erfunden; Szeths vorheriger Meister – ein Bauer aus einem Dorf in der Nähe – hatte Szeth für einen Sack Saatgut an Nahm verkauft. Der Bauer hatte ihn
von einem fahrenden Händler, der ihn wiederum von einem Schuster hatte, welcher ihn bei einem ungesetzlichen Glücksspiel gewonnen hatte. Und vor diesem hatte es noch Dutzende anderer Herren gegeben.
Zuerst genossen es die gewöhnlichen dunkeläugigen Bürger, ihn zu besitzen. Sklaven waren für die meisten von ihnen zu teuer, und Parscher waren sogar noch kostbarer. Daher bedeutete es für sie eine ganz neue Erfahrung, jemanden wie Szeth zu haben, den sie herumschicken konnten. Er säuberte Böden, sägte Holz, half auf dem Feld und trug Lasten. Manche behandelten ihn gut, manche nicht.
Aber sie wurden ihn alle wieder los.
Manchmal spürten sie die Wahrheit – dass er sehr viel mehr tun konnte, als sie von ihm zu verlangen wagten. Es war eine feine Sache, einen eigenen Sklaven zu haben, aber wenn dieser Sklave wie ein Hellauge redete und so viel mehr wusste als sein Herr, dann wurde diesem irgendwann unheimlich zumute.
Szeth versuchte seine Rolle zu spielen und weniger vornehm zu handeln. Das war aber sehr schwer für ihn. Vielleicht sogar unmöglich. Was würden diese Männer wohl sagen, wenn sie wüssten, dass der Mann, der ihre Nachttöpfe leerte, ein Splitterträger und Wogenbinder war? Und ein Windläufer wie die alten Strahlenden? In dem Augenblick, in dem er seine Waffe heraufbeschwor, würde die Farbe seiner Augen von Dunkelgrün zu einem blassen, beinahe glühenden Saphirgrün wechseln, was eine einzigartige Auswirkung dieser Klinge bedeutete.
Das Beste war, wenn sie es niemals herausfanden. Szeth jubelte darüber, dass seine Fähigkeiten verschwendet wurden. Jeder Tag, an dem er reinigen oder graben musste, anstatt zu töten, war ein Sieg. Jener Abend vor fünf Jahren suchte ihn noch immer heim. Auch vorher war ihm befohlen worden zu töten, aber immer still und heimlich. Nie zuvor hatte man ihm so schreckliche Anweisungen gegeben.
Töte, vernichte, bahne dir einen Weg zum König. Sorge dafür, dass du dabei gesehen wirst. Hinterlasse Zeugen. Verwundet, aber lebendig …
»… und da hat er geschworen, mir mein ganzes Leben hindurch zu dienen«, beendete Nahm seine Erzählung. »Seitdem ist er bei mir.«
Die Zuhörer drehten sich zu Szeth um. »Es ist wahr«, sagte er, wie es ihm zuvor befohlen worden war. »Jedes einzelne Wort.«
Nahm lächelte. Er fühlte sich in Szeths Gegenwart nicht unwohl; offenbar betrachtete er es als selbstverständlich, dass ihm Szeth gehorchte. Vielleicht würde er deshalb länger als jeder andere zuvor Szeths Meister sein.
»Jetzt sollte ich mich aber langsam auf den Weg machen«, sagte Nahm. »Morgen muss ich früh aufstehen. Es gibt noch viele Orte zu
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