Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
besuchen und viele unbekannte Straßen zu entdecken …«
Es gefiel ihm, sich als erfahrenen Reisenden zu schildern, aber soweit Szeth wusste, ging er einfach nur in einem weiten Kreis umher. Es gab eine Menge Minen – und daher auch viele kleinere Ortschaften – in diesem Teil des Bavlandes. Vermutlich war Nahm schon vor einigen Jahren in dieser kleinen Stadt gewesen, aber in den Minen schufteten zahlreiche Wanderarbeiter. Daher war es unwahrscheinlich, dass ihn jemand wiedererkannte, es sei denn, seine schrecklich übertriebenen Geschichten waren weitergegeben worden und jemand erinnerte sich daran.
Die Minenarbeiter aber schienen nach ihnen zu hungern, ob sie nun der Wahrheit entsprachen oder nicht. Sie drängten ihn weiterzuerzählen, luden ihn noch einmal zu einem Getränk ein – und bescheiden stimmte er zu.
Szeth saß mit untergeschlagenen Beinen still da und hatte die Hände wieder in den Schoß gelegt. Blut tropfte an seinem Arm herunter. Hatten die Parschendi gewusst, zu was sie ihn
verdammten, als sie in jener Nacht bei ihrer Flucht aus Kholinar seinen Eidstein weggeworfen hatten? Szeth hatte nach ihm suchen müssen, am Ende neben der Straße gestanden und sich gefragt, ob er entdeckt und hingerichtet werden würde – er hatte gehofft, dass es so käme. Aber dann hatte ein vorbeiziehender Kaufmann bei ihm angehalten und sich nach ihm erkundigt. Inzwischen hatte Szeth nur noch ein Lendentuch getragen. Sein Ehrgefühl hatte ihn gezwungen, die weiße Kleidung abzulegen, da er in ihr noch leichter zu erkennen gewesen wäre. Er musste sich schützen, damit er leiden konnte.
Nach einer kurzen Erklärung, in der er nachteilige Einzelheiten jedoch ausgelassen hatte, war Szeth im Karren des Kaufmanns mitgefahren. Der Händler – ein Mann namens Avado – hatte rasch begriffen, dass Fremde nach dem Tod des Königs eine schlechte Behandlung zu erwarten hatten. Er war nach Jah Keved gereist und hatte niemals erfahren, dass er Gavilars Mörder als Diener aufgenommen hatte.
Die Alethi suchten nicht nach ihm. Sie nahmen an, dass sich der berüchtigte Mörder in Weiß zusammen mit den Parschendi zurückgezogen hatte. Vermutlich erwarteten sie, ihn auf der Zerbrochenen Ebene wiederzusehen.
Allmählich fanden die Minenarbeiter Nahms zunehmend verworrene Geschichten ermüdend. Sie verabschiedeten sich von ihm und schenkten seinen deutlichen Hinweisen, ein weiterer Becher Bier werde ihn dazu bringen, seine größte Geschichte zu erzählen, keine Beachtung. Er versprach ihnen einen Bericht darüber, wie er die Nachtwächterin persönlich gesehen und ihr eine Kugel gestohlen hatte, die des Nachts schwarz glänzte. Diese Geschichte fand Szeth immer wieder beunruhigend, denn sie erinnerte ihn an die seltsame schwarze Kugel, die ihm Gavilar gegeben hatte. Er hatte sie in Jah Keved sorgfältig versteckt. Er wusste zwar nicht, worum es sich bei ihr handelte, aber er wollte doch nicht das Risiko eingehen, dass einer seiner Meister sie ihm abnahm.
Als niemand Nahm ein weiteres Bier anbot, stand er widerstrebend und schwankend von seinem Stuhl auf und bedeutete Szeth durch ein Handzeichen, die Taverne mit ihm zu verlassen. Draußen auf der Straße war es dunkel. Diese Stadt namens Eisenweg besaß einen richtigen Marktplatz, mehrere Hundert Häuser und drei Tavernen. Für das Bavland, den kleinen Flecken nördlich des Gebirges in der Nähe von Silnasen, war das schon fast eine Großstadt. Dieses Gebiet gehörte zwar offiziell zu Jah Keved, aber sogar der Großprinz hielt sich von hier fern.
Szeth folgte seinem Meister durch die Straßen in Richtung des ärmeren Viertels. Nahm war zu geizig, um für ein Zimmer in einem angenehmen oder wenigstens ordentlichen Stadtteil zu bezahlen. Szeth warf einen Blick über die Schulter und wünschte sich, die Zweite Schwester – hier bei den Bewohnern des Ostens als Nomon bekannt – möge endlich aufgehen und ein wenig mehr Licht spenden.
Nahm taumelte betrunken dahin und brach schließlich auf der Straße zusammen. Szeth seufzte. Es war nicht die erste Nacht, in der er seinen Meister zu dessen Bett trug. Er kniete nieder und wollte Nahm aufheben.
Doch er erstarrte. Eine warme Flüssigkeit hatte eine Lache unter dem Körper seines Meisters gebildet. Erst jetzt bemerkte er das Messer in Nahms Hals.
Sofort sprang Szeth hoch, als eine Gruppe von Straßenräubern aus einer Gasse hervorkam. Einer von ihnen hob die Hand; das Messer darin blitzte im Sternenlicht auf. Szeth spannte sich an.
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