Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
die Kluft überquert und befanden sich auf dem nächsten Plateau. Renarin ritt neben Adolin und versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber Adolin gab nur halbherzige Antworten.
Allmählich verspürte er eine seltsame Sehnsucht. Die meisten älteren Männer in der Armee – selbst diejenigen, die nur wenige Jahre älter waren als Adolin – hatten während der ruhmreichen Tage neben seinem Vater gekämpft. Adolin war auf all jene eifersüchtig, die seinen Vater früher gekannt und ihn kämpfen gesehen hatten, als er dem Kodex noch nicht so ergeben gewesen war.
Die Veränderungen bei Dalinar hatten mit dem Tod seines Bruders begonnen. Seit jenem Tag ging alles schief. Der Verlust Gavilars hätte Dalinar beinahe zerschmettert, und Adolin würde es den Parschendi niemals verzeihen, dass sie seinem Vater solche Schmerzen zugefügt hatten. Niemals. Die Menschen kämpften aus verschiedenen Gründen auf der Zerbrochenen Ebene, aber das war der Grund, warum Adolin hergekommen war. Vielleicht würde sein Vater wieder zu dem Mann werden, der er einmal gewesen war, wenn sie die Parschendi besiegten. Vielleicht würden dann diese geisterhaften Trugbilder, die ihn heimsuchten, verschwinden.
Vor ihm sprach Dalinar leise mit Sadeas. Beide Männer blickten finster drein. Sie konnten sich nicht leiden, obwohl sie früher einmal Freunde gewesen waren. Auch das hatte sich in der Nacht von Gavilars Tod geändert. Was mochte zwischen ihnen vorgefallen sein?
Der Tag zog sich dahin, und endlich hatten sie das Jagdgebiet erreicht. Es bestand aus zwei Plateaus. Auf das eine würde die Bestie gelockt werden, und vom anderen aus konnten die Zuschauer in sicherer Entfernung das Schauspiel beobachten. Wie gewöhnlich hatten diese Plateaus eine unebene Oberfläche, die von widerstandsfähigen, den häufigen Stürmen trotzenden Pflanzen bewohnt wurde. Felsenriffe und Vertiefungen ließen sie gefährlich erscheinen.
Adolin gesellte sich zu seinem Vater, der neben der letzten Brücke wartete, während sich der König zum Aussichtsplateau hinüberbegab; ihm folgte eine Kompanie von Soldaten. Danach würden die Gäste dann die Kluft überschreiten.
»Du bist ein guter Kommandant, mein Sohn«, sagte Dalinar und nickte einer Gruppe von Soldaten zu, die an ihm vorbeischritten und dabei salutierten.
»Es sind auch gute Männer, Vater. Sie brauchen niemanden, der sie auf dem Weg von einem Plateau zum nächsten kommandiert. «
»Ja«, stimmte ihm Dalinar zu, »aber du brauchst Erfahrung im Anführen, und sie müssen lernen, dich als ihren Kommandanten zu respektieren.« Renarin ritt zu ihnen; offenbar war es Zeit, zum Aussichtsplateau hinüberzuwechseln. Dalinar bedeutete seinen Söhnen mit einem Nicken, sie sollten zuerst die Kluft überqueren.
Adolin wendete sein Pferd, zögerte aber, als er etwas auf dem Plateau bemerkte – hinter sich. Es war ein Reiter, der mit großer Geschwindigkeit auf die Jagdgesellschaft zupreschte und aus der Richtung der Kriegslager kam.
»Vater«, sagte Adolin und deutete auf den Reiter.
Dalinar drehte sich sofort um und blickte dorthin. Doch bald erkannte Adolin den Mann. Es war kein Bote, wie er erwartet hatte.
»Schelm!«, rief Adolin und winkte ihm zu.
Der Neuankömmling hatte sie erreicht. Der Schelm des Königs war groß und dünn und ritt auf einem schwarzen Wallach. Er trug einen steifen schwarzen Umhang und eine schwarze Hose, die zu seinem onyxfarbenen Haar passte. Obwohl er sich ein langes, dünnes Schwert umgebunden hatte, hatte der Mann es noch nie gezogen, soweit Adolin wusste. Es war lediglich eine Duellwaffe und besaß eher symbolische Bedeutung.
Der Schelm nickte ihnen zu, als er sich ihnen näherte, und zeigte ihnen dabei sein verwegenes Grinsen. Er hatte blaue Augen, war aber kein richtiges Hellauge. Doch er war auch kein Dunkelauge. Er war … nun ja, er war eben des Königs Schelm. Das war eine eigene Kategorie.
»Ah, der junge Prinz Adolin!«, rief Schelm aus. »Es ist Euch also tatsächlich gelungen, Euch von den jungen Damen im Lager loszureißen und auf diese Jagd zu gehen. Ich bin beeindruckt. «
Adolin kicherte verlegen. »Nun ja, darüber haben wir vorhin schon gesprochen …«
Schelm hob eine Braue.
Adolin seufzte. Schelm würde es ja ohnehin bald selbst herausfinden; es war so gut wie unmöglich, vor diesem Mann etwas geheim zu halten. »Ich hatte gestern eine Verabredung zum Mittagessen – mit einer jungen Dame. Aber ich … eigentlich mache ich einer anderen den Hof.
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