Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
und belagerte die Parschendi. Diese Belagerungstaktik hatte Dalinar damals persönlich vorgeschlagen, denn ein Angriff auf die Basis der Parschendi hätte es notwendig gemacht, auf der Ebene zu lagern, den Großstürmen zu trotzen und sich auf zerbrechliche Brücken verlassen zu müssen. Schon nach einer einzigen verlorenen Schlacht hätten die Alethi in der Falle gesessen und wären umzingelt gewesen, ohne dass sie sich in ein befestigtes Lager hätten zurückziehen können.
Doch die Zerbrochene Ebene konnte sich auch noch für die Parschendi als Falle erweisen. Der östliche und südliche Rand waren undurchdringlich; die Plateaus dort sollten so verwittert sein, dass es sich bei manchen von ihnen um kaum mehr als Felszinnen handelte. Und die Parschendi waren nicht in der Lage, die riesigen Zwischenräume zu überbrücken. Die Ebene wurde von Bergen eingerahmt, und ganze Herden von gewaltigen und gefährlichen Kluftteufeln streiften dazwischen umher.
Da die Alethi sie im Westen und Norden belagerten – und im Süden und Osten vorsichtshalber Späher stationiert hatten – , konnten die Parschendi nicht entkommen. Dalinar hatte gehofft, dass ihnen die Vorräte ausgingen. Dann würden sie entweder zu fliehen versuchen und sich dem Feind stellen müssen. Oder sie mussten die befestigten Lager der Alethi angreifen.
Es war ein ausgezeichneter Plan gewesen, doch leider hatte Dalinar nicht mit den Edelsteinherzen gerechnet.
Er wandte sich von der Kluft ab und ging über das Plateau. Es reizte ihn zwar, nach seinen Männern zu sehen, aber er musste Adolin auch zeigen, dass er ihm vertraute. Sein Sohn
hatte das Kommando, und er würde es gut führen. Tatsächlich schien er bereits den Schlussbericht zu Elhokar zu bringen.
Dalinar lächelte, als er seinen Sohn beobachtete. Adolin war kleiner als Dalinar, sein Haar war eine Mischung aus Blond und Schwarz. Das Blond mochte ein Erbe seiner Mutter sein; zumindest war dies Dalinar so gesagt worden. Er erinnerte sich ja nicht an diese Frau. Sie war schon lange aus seiner Erinnerung gestrichen und hatte dort seltsame Lücken und verschwommene Bereiche hinterlassen. Manchmal konnte er sich an eine bestimmte Begebenheit erinnern, bei der er alle anderen klar und deutlich sah, nur sie war verwischt. Er wusste nicht einmal mehr ihren Namen. Wenn andere ihn aussprachen, entschlüpfte er sofort wieder Dalinars Gedächtnis – wie ein Klumpen Butter, der von einem zu heißen Messer herunterglitt.
Er überließ Adolin seinem Bericht und ging zu dem Kadaver des Kluftteufels hinüber. Das Untier lag auf der Seite; die Augen waren verbrannt, der Mund klaffte auf. Es hatte keine Zunge, sondern nur die seltsamen Zähne eines Großschalentiers sowie ein merkwürdiges, verwickeltes Gefüge von Kiefern. Einige flache, tellerartige Zähne dienten zum Aufbrechen von Muscheln, und andere, kleinere Zangen mochten die Aufgabe haben, Fleisch zu zerreißen und es tiefer in den Rachen zu befördern. Steinknospen hatten sich in der Nähe geöffnet und das Blut des Untiers aufgesaugt. Es bestand eine Verbindung zwischen einem Mann und dem Tier, das er jagte, und Dalinar verspürte jedes Mal eine seltsame Melancholie, wenn er eine so majestätische Kreatur wie einen Kluftteufel getötet hatte.
Die meisten Edelsteinherzen wurden auf andere Art und Weise gewonnen, als es heute der Fall gewesen war. Zu einer gewissen Zeit im seltsamen Lebenszyklus der Kluftteufel suchten sie die Westseite der Ebene auf, wo die Plateaus größer waren. Dort kletterten sie auf die Hochfläche, spannen
sich in einer steinernen Chrysalis ein und warteten auf das Kommen eines Großsturms. Während dieser Zeit waren sie verwundbar. Man musste sich nur auf das Plateau begeben, auf dem ein Kluftteufel lag, und seinen Kokon mit Meißeln oder einer Splitterklinge aufbrechen. Das war eine leichte Arbeit, durch die auch noch ein Vermögen gewonnen werden konnte. Und die Bestien kamen oft, manchmal sogar einige Male in der Woche, solange das Wetter nicht zu kalt war.
Dalinar hob den Blick zu dem hoch aufragenden Kadaver. Winzige, kaum sichtbare Sprengsel flossen aus dem Leichnam der Bestie und verschwanden in der Luft. Sie sahen wie Rauchzungen aus, die über einer Kerze schwebten, nachdem diese ausgeblasen wurde. Niemand wusste, zu welcher Art diese Sprengsel gehörten; man sah sie nur in der Umgebung kürzlich getöteter Großpanzer.
Er schüttelte den Kopf. Die Edelsteinherzen hatten den ganzen Krieg verändert. Die Parschendi
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