Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
liegenden Speer an sich nahm und ein wenig Moos vom Schaft zupfte.
»Ich war ein Lehrling. Ich meine, bevor …« Dunni verstummte und blickte weg.
Teft hatte Recht gehabt; Brückenmänner redeten nicht über ihre Vergangenheit. Wie dem auch sei, jedenfalls hatte Dunni vermutlich Recht, wenn er Kaladin korrigierte. Er würde ebenfalls bestraft werden, wenn jemand mitbekam, dass er den Ehrentitel des Großprinzen wegließ.
Kaladin legte die Kappe in seinen Sack, rammte die Fackel in eine Spalte zwischen zwei moosbedeckten Felsen und half den anderen beim Aufreihen der Leichen. Dabei drängte er die Männer nicht dazu, sich zu unterhalten. Die Toten verdienten eine gewisse Ehrerbietung – falls das überhaupt möglich war, während man sie ausraubte.
Als Nächstes befreiten die Männer die Gefallenen von ihren Rüstungen. Sie nahmen den Bogenschützen die Lederwesten und den Fußsoldaten die Brustpanzer. In dieser Gruppe befand sich auch ein gefallenes Hellauge, das feine Kleidung
unter einer noch feineren Rüstung trug. Manchmal wurden die Leichen der Hellaugen von besonderen Mannschaften geborgen und zurückgebracht, so dass der Leichnam von einem Seelengießer zu einer Statue gemacht werden konnte. Dunkelaugen hingegen wurden verbrannt, es sei denn, sie waren sehr reich. Und die meisten Soldaten, die in die Klüfte fielen, wurden nicht weiter beachtet. Die Männer im Lager behaupteten, die Klüfte seien ehrenvolle Ruheplätze, aber in Wirklichkeit waren diese Leichen weder die Kosten noch die Gefahr wert, die eine Bergung mich sich brachte.
Wenn man hier aber ein Hellauge fand, dann bedeutete dies, dass seine Familie entweder nicht reich oder aber nicht besorgt genug um sein Seelenheil war, um Männer auszuschicken und ihn zurückholen zu lassen. Sein Gesicht war zur Unkenntlichkeit zerschmettert, aber seine Rangabzeichen identifizierten ihn als ein Mitglied des siebten Dahns. Er besaß kein eigenes Land und hatte dem Gefolge eines mächtigeren Offiziers angehört.
Sobald sie seine Rüstung abgenommen hatten, machten sie sich über die Dolche und Stiefel der Aufgereihten her. Stiefel wurden immer gebraucht. Sie ließen den Gefallenen zwar die Kleidung, nahmen aber die Gürtel und schnitten viele Hemdknöpfe ab. Während sie arbeiteten, schickte Kaladin Teft und Fels um die nächste Biegung; sie sollten nachsehen, ob sich dahinter weitere Leichen befanden.
Sobald Rüstungen, Waffen und Stiefel beiseitegeschafft waren, begann der scheußlichste Teil: Taschen, Beutel und Börsen mussten nach Kugeln und Juwelen durchsucht werden. Der Haufen, der daraus gebildet wurde, war zwar der kleinste von allen, dafür war er aber sehr wertvoll. Sie fanden keine Brome, was bedeutete, dass die Brückenmänner keine Belohnung erhielten.
Während sie diese schreckliche Arbeit machten, bemerkte Kaladin, dass aus einer Lache in der Nähe ein Speerende herausragte.
Bei der vorangegangenen Suche schien es nicht bemerkt worden zu sein.
Gedankenverloren nahm Kaladin den Speer an sich, schüttelte das Wasser ab und trug ihn zum Waffenhaufen hinüber. Dort wartete er kurz und hielt den Speer dann mit einer Hand über den Haufen, während das kalte Wasser von ihm abtropfte. Er fuhr mit dem Finger über das glatte Holz. Das Gewicht und der Feinschliff verrieten ihm, dass es eine gute Waffe war. Robust, eine solide Handwerksarbeit und sehr gepflegt.
Er schloss die Augen und erinnerte sich daran, wie er als Junge einen Kampfstab in den Händen gehalten hatte.
Wieder kamen ihm die Worte in den Sinn, die Tukks vor so vielen Jahren an jenem hellen Sommertag zu ihm gesagt hatte, als er in Amarams Armee zum ersten Mal eine Waffe in der Hand gehabt hatte. Der erste Schritt besteht darin, dass du dich kümmern musst. Es darf dir nicht alles egal sein, schien Tukks Stimme zu flüstern. Einige behaupten, in der Schlacht dürfe man keine Gefühle haben. In der Tat ist es wichtig, einen klaren Kopf zu behalten. Aber ich hasse die Vorstellung, ruhig und kaltblütig zu töten. Ich habe auch gesehen, dass diejenigen, denen nicht alles egal ist, härter und länger kämpfen können und auch besser sind als jene, die sich um nichts mehr kümmern. Das ist der Unterschied zwischen Söldnern und wahren Soldaten. Die einen kämpfen zur Verteidigung ihrer Heimat, die anderen kämpfen auf fremder Erde.
Es ist gut, sich zu sorgen, wenn du kämpfst, solange du nicht zulässt, dass diese Sorge dich verzehrt. Versuch nicht, dir alle Gefühle auszutreiben. Du
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