Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
dort im Lager zu helfen, wo er gebraucht wurde. Der Erfolg seiner Bemühungen, Elhokar zu schützen, war oft schwierig einzuschätzen, aber es wirkte sehr befriedigend, etwas zu tun, dessen Fortschritt so deutlich sichtbar war.
Doch selbst hierbei handelte er noch nach den Idealen, die ihn infiziert hatten. Das Buch berichtete von einem König, der die Lasten seines Volkes trug. Es behauptete, dass ein Führer der niedrigste aller Menschen sei, denn er müsse allen dienen. All das wirbelte in ihm umher: Der Kodex, die Lehren des Buches, all die Dinge in seinen Visionen – oder seinen Selbsttäuschungen.
Kämpfe nie gegen einen anderen Menschen, außer wenn du im Krieg dazu gezwungen wirst.
Krach!
Nicht deine Worte, sondern deine Taten sollen dich verteidigen.
Krach!
Erwarte ehrenhaftes Handeln von jenen, denen du begegnest, und gib ihnen die Gelegenheit, deinen Erwartungen gemäß zu handeln.
Krach!
Herrsche so, wie du selbst beherrscht werden möchtest.
Krach!
Er stand bis zur Hüfte in dem, was einmal eine Latrine werden sollte, und seine Ohren waren von dem Ächzen berstenden Steins erfüllt. Allmählich glaubte er an diese Ideale. Nein, er glaubte sogar schon seit einiger Zeit an sie. Nun lebte er sie. Wie würde die Welt wohl aussehen, wenn alle Menschen so lebten, wie das Buch es vorschlug?
Jemand musste doch den Anfang machen. Jemand musste schließlich das Vorbild sein. Ob er verrückt war oder nicht, er verhielt sich besser als Sadeas oder die anderen. Man musste nur das Leben seiner Soldaten und seines Volkes betrachten, um zu erkennen, dass das stimmte.
Krach!
Stein konnte nicht verändert werden, ohne dass er geschlagen wurde. Verhielt es sich bei einem Mann wie ihm selbst genauso? War das der Grund, warum für ihn plötzlich alles so
hart zu sein schien? Aber warum er ? Dalinar war weder Philosoph noch Idealist. Er war Soldat. Und – wenn er die Wahrheit eingestand – in früheren Jahren war er sogar ein Tyrann und Kriegstreiber gewesen. Vermochten die Jahre des Zwielichts, in denen er so tat, als würde er den Ratschlägen besserer Männer folgen, ein ganzes Leben der Schlächterei einfach auszuradieren?
Er schwitzte. Die Schneise, die er in den Boden geschlagen hatte, war so breit wie ein Mann, etwa dreißig Schritte lang und reichte ihm bis zur Brust. Je länger er arbeitete, desto mehr Menschen versammelten sich und tuschelten miteinander.
Splitterpanzer waren heilig. Grub der Großprinz mit ihrer Hilfe tatsächlich eine Latrine ? Hatte ihn der Druck so verwirrt? Er hatte Angst vor Großstürmen. Er wurde zum Feigling. Er weigerte sich, ein Duell auszufechten oder sich gegen Beleidigungen zu verteidigen. Er hatte Angst vor dem Kämpfen und wollte den Krieg beenden.
Er wurde verdächtigt, den König töten zu wollen.
Teleb kam offenbar zu dem Schluss, dass es von den Schaulustigen respektlos war, Dalinar anzustarren, denn er befahl den Männern, sich wieder an ihre eigene Arbeit zu machen. Er wandte sich an die Arbeiter, nahm sich Dalinars Befehl zu Herzen und ordnete an, sie mögen sich in den Schatten setzen und »in fröhlicher Manier miteinander plaudern«. Jemand anders hätte diesen Befehl mit einem Lächeln ausgesprochen, aber Telebs Miene war dabei so steinern wie die Felsen um ihn herum.
Dalinar arbeitete noch immer. Er wusste, wo die Latrine enden sollte; schließlich hatte er den Arbeitsbefehl ja gegengezeichnet. Es sollte ein langer, leicht abfallender Trog in den Fels geschnitten und dann mit eingeölten und geteerten Balken bedeckt werden, damit der Gestank nicht allzu unangenehm wurde. Am oberen Ende würde ein Latrinenhaus errichtet
werden, und der Inhalt sollte nach einigen Monaten immer wieder durch Seelengießerei verbrannt werden.
Als er allein war, fühlte er sich noch besser bei der Arbeit. Ein einziger Mann, der die Felsen brach und Schlag für Schlag zerkleinerte – wie die Trommeln der Parschendi an jenem so lange vergangenen Tag. Dalinar spürte diese Trommelschläge noch immer, hörte sie in seinem Kopf. Sie erschütterten ihn.
Es tut mir leid, Bruder.
Er hatte mit den Feuerern über seine Visionen gesprochen. Sie waren der Ansicht, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um die Hervorbringungen eines überbeanspruchten Geistes handelte.
Er hatte keinen Grund, an die Wahrheit dessen zu glauben, was ihm seine Visionen sagten. In dem Versuch, ihre Anweisungen zu befolgen, hatte er mehr getan, als nur Sadeas’ Ränken keine Beachtung zu schenken. Er
Weitere Kostenlose Bücher