Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
kleinen Gemüsegeviert.
»Das war eine Bäckerei«, sagte der Bäcker.
»Es tut mir schrecklich leid.«
»Die Familie war nicht zu Hause.«
»Das beruhigt mich.«
»Sie war zum Gottesdienst im Tempel.«
»In dem, den ich …«
»Mit dem Kopf eingerissen habe? Ja.«
»Ich bin sicher, dass du zu ihren Seelen freundlich sein wirst.«
Der Bettler kniff die Augen zusammen und sah ihn an. »Ich versuche noch immer herauszufinden, wo dein Platz im Gefüge
der Welt sein mag. Bist du ein Bringer der Leere oder ein Herold?«
»Ein Bringer der Leere, wie ich befürchte«, antwortete Axies. »Schließlich habe ich einen Tempel zerstört.«
Der Blick des Bettlers wurde noch misstrauischer.
»Nur das heilige Tuch kann mich bannen«, fuhr Axies fort. »Und da du nicht … sag einmal, was ist das, was du da festhältst?«
Der Bettler sah auf seine Hand hinunter, die ein schäbiges Laken berührte, das über einer seiner gleichermaßen schäbigen Kisten lag. Er hockte auf ihnen wie … nun ja, wie ein Gott, der auf sein Volk herunterschaut.
Armer Narr, dachte Axies. Es war wirklich an der Zeit weiterzuziehen. Er wollte diesem verwirrten Knaben kein Unglück bringen.
Der Bettler riss das Laken in die Luft. Axies wich zurück und hob die Hände. Diese Geste rief bei dem Bettler ein breites Grinsen hervor, das ein paar Zähne mehr hätte vertragen können. Er hüpfte von seiner Kiste und hielt das Laken wie zur Abwehr hoch. Axies kroch noch weiter zurück.
Der Bettler lachte und warf ihm das Laken zu. Axies fing es auf und zeigte dem Bettler die geballte Faust. Dann zog er sich aus der Allee zurück, während er sich das Laken um die Hüfte wickelte.
»Und siehe da, die böse Bestie ward gebannt«, sagte der Bettler hinter ihm.
»Und siehe da«, erwiderte Axies, während er das Laken zurechtzupfte, »die böse Bestie vermied es, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Kerker zu landen.« Die Iriali waren sehr streng, wenn es um ihre Sittengesetze ging. Sie waren allerdings in vielerlei Hinsicht sehr streng. Natürlich galt das für die meisten Völker – der einzige Unterschied bestand im jeweiligen Gegenstand dieser Strenge.
Der Sammler Axies zog dennoch viele Blicke auf sich. Nicht wegen seiner ungewöhnlichen Kleidung – Iri lag am nordwestlichen
Rand von Roschar, und deswegen war es hier viel wärmer als an anderen Orten – wie zum Beispiel Alethkar oder gar Azir. Viele der goldhaarigen Iriali-Männer trugen nur Lendenschurze und hatten sich die Haut mit verschiedenen Farben und Mustern angemalt. Sogar Axies’ Tätowierungen waren hier nicht ungewöhnlich.
Vielleicht lenkte er die Blicke wegen seiner blauen Nägel und kristallblauen Augen auf sich. Aimianer – sogar Siah-Aimianer – waren hier sehr selten. Oder es lag daran, dass er seinen Schatten in die falsche Richtung warf – auf das Licht zu , anstatt von ihm weg . Das war nur eine Kleinigkeit, und die Schatten waren nicht lang, da sie Sonne so hoch stand. Aber diejenigen, die es bemerkten, tuschelten miteinander oder sprangen ihm aus dem Weg. Vermutlich hatten sie von solchen wie ihm auch schon gehört. Die Reinigung seines Heimatlandes lag auch noch nicht sehr lange zurück – gerade so lange, dass sich Legenden und Geschichten darüber in das allgemeine Wissen der meisten Völker eingeschlichen hatten.
Vielleicht würde jemand Wichtiges Anstoß an ihm nehmen und ihn vor das örtliche Gericht zerren. Es wäre nicht das erste Mal. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, sich keine Sorgen darüber zu machen. Wenn einem der Fluch der Art folgte, lernte man, die Ereignisse einfach hinzunehmen.
Leise pfiff er etwas vor sich hin, betrachtete seine Tätowierungen und schenkte den Passanten, die ihn anstarrten, keinerlei Beachtung. Ich erinnere mich daran, dass ich irgendwo irgendetwas hingeschrieben habe, dachte er, sah auf sein Handgelenk, drehte dann den Arm und versuchte herauszufinden, ob es auf der Rückseite neue Tätowierungen gab. Wie alle Aimianer konnte er die Farbe seiner Haut und die Zeichnungen darauf nach Belieben verändern. Das war sehr angenehm, denn wenn einem regelmäßig alles geraubt wurde, was man besaß, war es verdammt schwierig, sich Notizen
zu machen. Deswegen schrieb er sie sich auch auf die Haut, bis er an einen sicheren Ort kam und sie abschreiben konnte.
Hoffentlich war er nicht so betrunken gewesen, dass er seine Beobachtungen an einen sehr unpassenden Ort geschrieben hatte. So etwas hatte er nämlich schon einmal
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